Martin Rütter: Journalist fragt, Anwalt antwortet

[Dieser Beitrag wurde im Original bei der Zeitung "Die Pferderegion" veröffentlicht]

[Update: Wir würden gerne mit derzeitigen oder ehemaligen Franchisenehmern oder Mitarbeitern von Martin Rütter ins Gespräch kommen. Auf Wunsch vertraulich. kontakt@die-pferderegion.de]

Der Journalist Florian Ditges ist nicht irgendwer. Als Mitglied im "Netzwerk Recherche" und Autor eines viel beachteten Buches über Krisenkommunikation weiß der Mann, wann bei ihm die Alarmglocken klingeln müssen. Und zwar die Art Alarmglocken, die sagen: ‚Du hast bei Deinen Recherchen einen wunden Punkt erreicht, jetzt wird es spannend‘.

Am Freitag hat Ditges im Bonner General Anzeiger einen Bericht über den Hundetrainer Martin Rütter veröffentlich, dessen gemeinsam mit der Fressnapf betriebene Firma "Dox Network" allen Mitarbeitern gekündigt hat. Schon zu diesem Bericht, aber auch für die Folgerecherchen, hat Florian Ditges einen umfangreichen Katalog von Fragen an Rütter geschickt, um seine bisherigen Rechercheergebnisse abzusichern. Das gehört sich so, zumal die Recherchen den Verdacht ergeben haben, dass sowohl die "Dox Network GmbH" als auch Rütters ältere Firma, die "MINA Trading GmbH", bereits 2007 bilanziell überschuldet waren. Das würde angesichts der aktuell ausgesprochenen Kündigungen an sämtliche Mitarbeiter durchaus weitere Fragen aufwerfen.

Diese Fragen an Martin Rütter wurden auch prompt beantwortet – allerdings von dessen Anwalt. Und das ist gleich in doppelter Hinsicht spannend:

Zum einen zeichnet es ein etwas irritierendes Bild von einem Menschen, der sich in seinen TV-Aufritten gerne als kommunikativ begabter Mensch darstellt.

Zum anderen – wichtiger – fällt auf, dass sich der Anwalt von Rütter zwar zwar ausufernd über die angebliche "Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflicht" beschwert, gleichzeitig aber nicht der von Ditges vorgelegten Behauptung widerspricht, sowohl Dox Network als auch MINA Trading seien zum 31.12.2007 bilanziell insolvent gewesen. Ditges hatte geschrieben:

"Ausweislich der uns vorliegenden aktuellen Geschäftsbilanzen sind sowohl die M.I.N.A. Trading GmbH als auch die Dox Network GmbH zum 31.12.2007 quasi insolvent. Auf Basis welcher finanzieller Grundlagen betreiben Sie die beiden GmbHs weiter?"

Der Anwalt, der sich auf seiner Website als Rechtsberater mit den Interessenschwerpunkten Gesellschafts- und Presserecht vorstellt und Martin Rütter nach eigenen Angaben "dauerhaft anwaltlich" vertritt, formuliert in seiner Antwort stattdessen:

"Falsch ist Ihre Behauptung, die M.I.N.A. Trading GmbH und/oder die DOX Networks GmbH sei insolvent oder quasi insolvent. Die finanzielle Situation der M.I.N.A. Trading GmbH ist solide."

Nun würde man Martin Rütter möglicherweise unrecht tun, wenn man aus dieser Stellungnahme seines Anwaltes quasi im Rückkehrschluß herauslesen wollte, die bilanzielle Ãœberschuldung Stand Ende 2007 sei damit zugestanden. Dennoch läßt es aufhorchen, denn das gezielte Bestreiten oder Nicht-Bestreiten gehört zum wichtigsten täglichen Anwaltsgeschäft.

In jedem Fall aber läßt die Rütter-per-Anwalt-Antwort damit eine zentrale Frage in den Recherchen von Florian Ditges offen – was mit Blick auf die Franchise-Pläne von Rütter kaum klug sein kann. Denn Ditges ist kein Anfänger in diesem Geschäft und hat seine Recherchen ohnehin gut abgesichert: So haben ihm Fachleute längst bestätigt, dass die (von Gesetzes wegen zu veröffentlichenden) Bilanzen beider Firmen einen Fehlbetrag ausweisen, sprich: zum 31.12.2007 mehr Verbindlichkeiten als Vermögen hatten.

Das muß mit Blick auf heute natürlich nichts bedeuten. Beiden Firmen können heute, entsprechend der Einlassung von Rütters Anwalt, "solide" sein. Fakt ist: Das weiß nur Rütter selbst. Und der könnte, muß aber nicht, zu entsprechenden Fragen von Jounalisten Stellung nehmen und erklären, warum die "solide" Firma Dox Network dennoch alle Mitarbeiter gekündigt hat.

Die journalistische Erfahrung lehrt: In vielen Fällen, in denen konkrete Fragen plötzlich per Anwalt beantwortet werden, hat der Journalist mit seiner Frage einen schwierigen Punkt getroffen. Nicht immer, aber oft. Und Ditges wäre kein guter Journalist, wenn er nicht spätestens jetzt noch genauer das Franchise-System von Rütter hinterfragt, das seinenTeilnehmern bis zu 18 Prozent der Umsätze und tausende Euros für eine Ausbildung abverlangt. Auch, wenn er nun wohl kaum noch auf eine direkte Beantwortung seiner Fragen hoffen kann. Und Ditges wird mit seinen Fragen nicht lange alleine bleiben, wie die aktuellen Diskussionen in Internetforen zeigen.

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