Baden-Württemberg: Gemeinden müssen Kosten für Fundtiere tragen

Viele Tierschutzvereine und Tierheime, die bei mir wegen Vertragsverhandlungen mit Kommunen um Rat fragen, zieren sich, bei einem Scheitern von Finanzierungsgesprächen die örtlichen Gemeinden zur Not auch auf dem Rechtsweg in Anspruch zu nehmen. Ich kann das selten nachvollziehen.

In den Jahren 2012 und 2013 habe ich für das Tierheim in Troisdorf einen neuen Fundtiervertrag entworfen, der dem Tierheim im Ergebnis erstmals eine vollständige Erstattung der für Fundtiere anfallenden Kosten brachte. Ein wesentliches Argument in den Verhandlungen mit den Kommunen war: Ihr müsst das sowieso zahlen, weil es rechtlich einfach so geregelt ist.

Wenigstens für Baden-Württemberg hat nun der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entschieden, dass diese Auffassung richtig ist: Es verurteilte die Gemeinde Dettingen dazu, die Kosten für die Unterbringung einer Wasserschildkröte und einer Katze zu tragen, die der örtliche Tierschutzverein für vier Wochen in Pflege hatte. Nach Ansicht der Richter ist die Rechtslage sehr eindeutig: Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches legen fest, dass der Finder einer verlorenen Sache dies dem Fundbüro anzuzeigen hat. Aufwendungen, die er für den Unterhalt und die Aufbewahrung der Sache hat, muss ihm die Fundbehörde ersetzen. Tiere werden in diesem Zusammenhang analog zu Sachen behandelt, auch wenn das Gesetz sie davon ausdrücklich unterscheidet.

Viele Gemeinden wehren sich auch in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern gegen diese Kosten mit dem Argument, die Tiere seien keine Fundsachen, sondern „herrenlose Tiere“. Für solche besteht die Verpflichtung der Gemeinden zur Kostentragung nämlich nicht. Wenn Haustiere längere Zeit außer der Reichweite des bisherigen Eigentümers herumliefen, sei anzunehmen, dass dieser das Eigentum aufgegeben habe.

An dieser Sichtweise gibt es schon deshalb berechtigte Zweifel, weil die Aufgabe des Eigentums an Tieren durch das Tierschutzrecht in der Regel verboten ist.

Eine bei mir beliebte Analogie ist der Umgang mit Abfällen, auch wenn das auf den ersten Blick etwas politisch unkorrekt klingt. Wer schon einmal versucht hat, sich den stetig steigenden Abfallgebühren dadurch zu entziehen, dass er einfach „das Eigentum an seinem Müll aufgibt“ und den Kram an den Straßenrand stellt, wird schnell einen Eindruck davon bekommen, wie wenig Kommunen von dieser Art der Entsorgung halten. Beim Abfall ist die Eigentumsaufgabe und wilde Entsorgung durch gesetzliche Vorschriften verhindert, die Bürger werden zur Teilnahme an einer kommunalen Abfallbeseitigung gezwungen.

Bei Tieren ist es gedanklich ähnlich: Wer das Eigentum an einem Haustier aufgeben will und es deshalb aussetzt, verstößt gegen Strafvorschriften des Tierschutzgesetzes. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Verantwortung wird man aber nicht los. Wer ein Tier aussetzt wird bestraft und muss obendrein die Kosten für die Versorgung des Tieres weiter zahlen. Oder anders gesagt: Trotz aller Mühen verliert ein solcher Mensch nicht das Eigentum an einem Tier. Infolge muss die Gemeinde beim Auffinden eines solchen Tieres auch zunächst die Kosten gegenüber dem Finder und Verwahrer übernehmen (und kann sie später beim Eigentümer geltend machen).

Tierheime sollten öfter klagen

Eine Vielzahl von Gemeinden kommt mit ihrer Verweigerungshaltung bei der Finanzierung von Tierheimen deshalb weiter, weil die lokalen Tierschutzvereine weder hart verhandeln, noch bereit sind, ihre Rechte juristisch durchzusetzen. Klagen wie die in Mannheim sind absolute Ausnahme, muss ich leider feststellen. In der Regel haben es die Gemeinden leicht, die handelnden Personen bei den Tierschutzvereinen mit ihrem Wunsch, ein Tierheim zu betreiben, zu erpressen. Wer aber von Beginn an erkennen lässt, dass er von dem Betrieb eines Tierheims im Auftrag der Kommune nicht lassen will, braucht sich nicht wundern, wenn die Kommunen sich ihrer gesetzlich geregelten Kostentragungspflicht entziehen wollen.

Alleine deshalb würde es helfen, wenn Ersatzansprüche öfter durchgeklagt werden, damit für mehr Bundesländer eine klare Rechtsprechung entsteht. Tierheime in Baden-Württemberg, die nach dem Urteil des VGH in Mannheim weiter eine Unterfinanzierung in Kauf nehmen, sind selbst schuld. Anders kann man das ab heute nicht mehr sagen.

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