In diesem Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks waren heute erschreckende Zahlen zu hören: Laut des „sächsischen Tierschutzes“ stünden rund 40 Prozent der Tierschutzvereine mit einem Tierheim vor der Insolvenz. Und schuld sei: Das Mindestlohngesetz, auf das die Kommunen bei ihren Zahlungen keine Rücksicht nähmen. Während den Tierheimen die Personalkosten um die Ohren fliegen, gäbe es von den Kommunen kein zusätzliches Geld. Klingt plausibel, könnte aber falsch sein.
Mal unabhängig davon, dass sich auf den Seiten des Landestierschutzverbands Sachsen nicht mal der Hauch einer solchen Behauptung finden lässt: Dass sich hierzu überhaupt plausible Zahlen finden lassen, dürfte auch in Frage stehen. Denn die Strukturen und Finanzen von Tierheimen lassen sich nur schwer vergleichen. Das beginnt schon mit dem Punkt, dass manche Tierschutzvereine ein Tierheim betreiben, ohne überhaupt mit den Kommunen Finanzierungsverträge geschlossen zu haben. Dazu ist ja auch keiner verpflichtet.
Der Idealfall sollte eigentlich so aussehen: Eine kreisfreie Stadt oder ein Landkreis überträgt einem privaten Tierschutzverein die Fundtierverwaltung gegen Entgelt. In einem Wirtschaftsplan rechnet der Verein aus, was die Verwaltung der zu erwartenden Hunde, Katzen und Kleintiere kosten wird, zieht hiervon die erwarteten Einnahmen für die Tiervermittlung wieder ab und lässt sich die Differenz von der Kommune überweisen. Wie hoch das Budget sein muss, richtet sich nicht nur nach den Tierzahlen, sondern auch nach dem Personalschlüssel, den Sach- und Betriebskosten und Extrawünschen der Gemeinde. Braucht es einen 24-h-Fahrdienst des Tierheims wird die Sache deutlich teurer, stellt die Kommune Gelände und Gebäude, kann man kräftig sparen. Den von der Gemeinde zu zahlenden Gesamtbetrag legt man auf die Einwohner um und hat dann eine Pro-Kopf-pro-Jahr-Pauschale, die die Entscheidungsträger im Kommunalparlament nun durchwinken können.
In der Praxis ist das alles viel schwerer. Viele Trägervereine kennen ihre wirklichen Kosten nicht, weil sie in den Finanzen nicht ausreichend penibel in den Zweckbetrieb (Tierheim) und die anderen Bereiche der Vereinsarbeit unterscheiden. Alleine an Steuern geht da häufig viel verloren. Zudem machen sich die Planer oft nicht klar, dass sich die Pro-Kopf-Pauschale nicht beliebig kürzen lässt. Denn ein Tierheim verursacht gewisse Grundkosten, ganz egal, ob nun ein oder 100 Hunde darin sitzen. Wer seine Basiskosten nicht kennt, kann aber auch nicht richtig skalieren.
In den Verhandlungen mit kommunalen Entscheidungsträgern scheitert es dann oft daran, dass die Verhandlungsführer auf Seiten der Tierschutzvereine schnell erkennen lassen, dass man zwar verhandelt, das Tierheim aber in jedem Falle weiterbetreiben will. Die meisten Tierschutzvereine möchten das, selbst wenn ihr Vereinsleben ohne Tierheim vermutlich entspannter und produktiver wäre. Aber wie soll man Druck aufbauen, wenn der Gegner schon weiß, dass man jede Zumutung am Ende akzeptieren wird?
„Ein Tierschutzverein mit einem Tierheim“, der kurz vor der Insolvenz steht, macht meiner Ansicht nach daher mindestens eine Sache falsch: Er betreibt ein Tierheim, obwohl er es sich nicht leisten kann. Damit verbrennt er von seinem knappen Geld noch jede Menge Scheine für eine Angelegenheit, die eigentlich eine der Kommunen ist.
„Einfach aufhören“, wäre also eine brauchbare Strategie zur Vermeidung der Insolvenz. Und: für Verhandlungen mit Kommunen. Das Tierheim in Krefeld hat es gerade vorgemacht.