: : Ärger mit der unteren Naturschutzbehörde wegen Hühnerhaltung im Garten – was tun?

Wenn Hobbyhaltung zum Streitfall wird

Immer mehr Menschen entdecken die Selbstversorgung als Hobby – insbesondere die Haltung seltener oder alter Hühnerrassen liegt im Trend. Was vielen nicht bewusst ist: Auch auf gepachteten Gärten in Mischgebieten kann es dabei schnell zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit der unteren Naturschutzbehörde kommen. Der Grund liegt meist in einer Kombination aus Landschaftsschutz, Baurecht und dem Naturschutzrecht.

Wer kleine Stallungen, Bauwagen oder Umzäunungen errichtet, läuft Gefahr, gegen Vorschriften zu verstoßen – selbst wenn das Gelände nicht in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet liegt. Die Behörden verlangen dann oft den Rückbau von Zäunen, mobilen Unterkünften und Hütten. Doch ist das rechtlich wirklich haltbar? Und welche Möglichkeiten hat man als Halter, sich dagegen zur Wehr zu setzen oder eine einvernehmliche Lösung zu finden?

Rechtliche Grundlagen: Baurecht, Naturschutz, Landschaftsbild

Selbst ein als Garten genutztes Grundstück in einem Mischgebiet unterliegt den Bestimmungen des Bauordnungsrechts. Dabei ist ausschlaggebend, ob bauliche Anlagen im Sinne des Rechts errichtet wurden. Auch ein Bauwagen auf Rädern kann je nach Nutzung und Verbleib auf dem Grundstück als bauliche Anlage gelten. Entscheidend sind Faktoren wie Dauerhaftigkeit, Festigkeit des Standorts und Zweckbestimmung – nicht nur, ob der Wagen Räder hat.

Hühnerställe gelten in der Regel ebenfalls als bauliche Anlagen, sofern sie nicht nur flüchtig aufgestellt werden. Auch für mobile Kleinstbauten gibt es Grenzwerte (oft in Kubikmetern Raumvolumen), unterhalb derer sie genehmigungsfrei sind. Doch Genehmigungsfreiheit im Baurecht schützt nicht vor anderen Eingriffsbefugnissen der Naturschutzbehörde.

Denn kommt ein Gebiet landschaftsschutzrechtlich in Betracht – etwa weil es als besonders schützenswert eingestuft ist oder sich in der Nähe eines Landschaftsschutzgebiets befindet – kann bereits eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds zum Eingreifen der Behörde führen. Genau das geschieht regelmäßig bei farblich auffälligen Bauwagen oder dauerhaft eingezäunten Flächen.

Wildtierschutz und Durchlässigkeit der Flächen

Ein häufiges Argument der Naturschutzbehörden: Die Umzäunung schneidet Wildtiere von ihren Wanderrouten ab. Tatsächlich gibt es in vielen Bundesländern Vorgaben zur sogenannten „Durchlässigkeit“ von Flächen, insbesondere bei Einfriedungen in der freien Landschaft. Selbst wenn es sich bei einem Garten um eine private Fläche handelt, kann eine vollflächige Umzäunung mit Netzen, Draht oder Maschendraht als unzulässig gelten, wenn sie den Wildwechsel behindert.

Das Argument des „Bestandsschutzes“ greift nur, wenn die baulichen Anlagen bereits legal errichtet wurden und seither keine wesentlichen Änderungen erfolgt sind. Wurde etwa der Zaun erweitert, verändert oder die Nutzung der Fläche umgestellt (z.?B. von gärtnerischer Nutzung auf Tierhaltung), kann der Bestandsschutz entfallen.

Welche Maßnahmen helfen in der Praxis wirklich?

In der Praxis ist der Versuch, der Behörde mit „kosmetischen“ Maßnahmen wie Tarnnetzen, Anpflanzungen oder naturnahen Gestaltungselementen entgegenzukommen, häufig sinnvoll – aber nicht immer ausreichend.

Die vorgeschlagenen Kompromisse wie eine grüne Lackierung des Bauwagens, Öffnungen im Zaun für Wildwechsel, Umstellung auf gefährdete Hühnerrassen oder der Verzicht auf baulich feste Strukturen sind ein guter Anfang. Doch sie ersetzen keine rechtlich tragfähige Grundlage. Entscheidend ist, ob die Maßnahmen geeignet sind, die tatsächliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Naturhaushalts substanziell zu reduzieren.

Zudem ist zu beachten: Selbst wenn alle Hütten und der Bauwagen auf Rädern stehen, kann die Behörde eine faktische „Dauerhaftigkeit“ der Nutzung annehmen. Wer also mit dem Argument „alles ist mobil“ argumentiert, muss im Zweifel auch beweisen können, dass keine feste Verbindung mit dem Boden besteht und eine tatsächliche Mobilität gegeben ist.

Behördliche Rückbauanordnungen: Rechtlich angreifbar?

Eine behördliche Rückbauverfügung muss konkret, verhältnismäßig und rechtlich begründet sein. Wird pauschal der vollständige Rückbau aller Anlagen verlangt, obwohl manche davon möglicherweise genehmigungsfrei oder naturschutzrechtlich unerheblich sind, kann das Vorgehen rechtlich angreifbar sein.

In der Praxis wird es allerdings kaum möglich sein, ohne anwaltliche Unterstützung die Rechtmäßigkeit einzelner Anordnungen effektiv zu überprüfen oder in einem Widerspruchsverfahren durchzusetzen. Hinzu kommen häufig Beweisprobleme: Etwa, wann und in welchem Zustand ein Zaun errichtet wurde oder ob eine tatsächliche Beeinträchtigung des Wildwechsels vorliegt.

Was sollte man jetzt konkret tun?

Zunächst sollte unbedingt Akteneinsicht beantragt werden. Nur so lässt sich prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen konkreten Erwägungen die Behörde handelt. Dabei ist es essenziell, dass nicht nur die formale Verfügung, sondern auch interne Vermerke, Stellungnahmen der unteren Landschaftsbehörde und eventuelle Ortstermine in Erfahrung gebracht werden.

Ein Abgleich mit dem zuständigen Bauamt kann ergänzend sinnvoll sein – insbesondere zur Frage, ob es sich tatsächlich um genehmigungsbedürftige bauliche Anlagen handelt. Denn die Abgrenzung zwischen erlaubnisfreier Nutzung und genehmigungspflichtiger Bebauung ist juristisch und technisch nicht immer eindeutig.

In jedem Fall sollte frühzeitig ein im Umwelt- und Baurecht erfahrener Anwalt einbezogen werden. Nur dieser kann realistisch einschätzen, welche Maßnahmen Aussicht auf Erfolg haben, wo eine freiwillige Anpassung genügt und in welchen Punkten sich ein Widerspruch oder gar eine Klage lohnen kann.

Fazit: Zwischen Idealismus und Realität

Das Halten von Hühnern im eigenen Garten mag aus privater Sicht als harmloses Hobby erscheinen – rechtlich kann es aber schnell komplex werden. Wer auf eigene Faust handelt, riskiert Rückbauanordnungen, Bußgelder oder im schlimmsten Fall eine Nutzungsuntersagung.

Auch wenn viele Behörden grundsätzlich kompromissbereit sind, reagieren sie empfindlich auf formale Fehler oder nicht abgestimmte bauliche Maßnahmen. Eine professionelle Beratung hilft, Konflikte frühzeitig zu entschärfen – und im Zweifel auch die rechtlichen Spielräume konsequent zu nutzen.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

Hinweis: Dieser Beitrag stammt vom

Bitte beachten Sie:
Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung, sondern meine persönliche Sicht und meine Meinung auf dieses Thema dar. Wenn Sie einen Fehler entdecken, bin ich für einen Hinweis dankbar. Die Rechtslage kann in Ihrem konkreten Fall anders sein, bitte lassen Sie sich im Zweifel beraten.
Bitte vereinbaren Sie zur Beratung einen Termin unter nilsbecker.de/telefontermin

In