Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Beschluss vom 24. Januar 2024 (Az. 8 AS 17/23) die Befangenheitsanträge eines angehenden Wirtschaftsjuristen gegenüber Vorsitzenden Richtern am Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg abgewiesen. Hintergrund sind elf Klagen des Mannes auf Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung innerhalb von 15 Monaten in Berlin. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass die Ablehnungsgesuche nur für die Vorsitzenden, die bisher keine Fälle des Mannes bearbeitet hatten, zurückgewiesen wurden.
Der Wirtschaftsrecht-Student, ursprünglich Industriekaufmann, hatte sich auf eine Stellenausschreibung auf Ebay Kleinanzeigen beworben, in der explizit eine Frau als Sekretärin gesucht wurde. Nach Ablehnung seiner Bewerbung forderte er eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das LAG Hamm bewertete einen fast identischen Fall des Mannes als rechtsmissbräuchlich. Auch das Arbeitsgericht und die 3. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg stuften seine Klage als rechtsmissbräuchlich ein und wiesen sie ab.
Die 4. Kammer des LAG Berlin hatte einen ähnlichen Fall bearbeitet und die Berufung des Klägers zurückgewiesen, da sein Entschädigungsbegehren als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde. Dies führte dazu, dass der Student Befangenheitsanträge gegen alle Vorsitzenden Richter am LAG stellte. Er argumentierte, dass die Richter die anderen Verfahren nicht berücksichtigen dürften, da dies gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen würde. Im Zivilprozess dürfen Richter nur Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien vorgebracht wurden.
Rechtsrahmen und Beibringungsgrundsatz
Die Frage, ob ein Gericht Kenntnisse über andere anhängige Verfahren eigenständig beiziehen darf, bleibt offen. Das BAG hat einige Befangenheitsanträge als unbegründet zurückgewiesen, aber eine inhaltliche Entscheidung zu dieser Frage steht noch aus. Laut § 291 Zivilprozessordnung (ZPO) dürfen offenkundige Tatsachen berücksichtigt werden, aber es bleibt unklar, ob dies auch für Kenntnisse von anderen Verfahren gilt, die am selben Gericht anhängig sind.
Der Student sieht in der Berücksichtigung anderer Verfahren einen Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz. Das BAG hingegen sieht das LAG Berlin-Brandenburg nicht als umfassend befangen an. Diese Entscheidung könnte darauf hindeuten, dass das BAG die Verwertung der Kenntnis von anderen anhängigen Verfahren am eigenen Gericht für zulässig hält.
Erwartungen an zukünftige Entscheidungen
In einem anderen Fall des Studenten, der vom LAG Hamm an das BAG weitergeleitet wurde, steht noch eine inhaltliche Entscheidung aus. Dieses Verfahren könnte jedoch keine klare Lösung zur Frage des Beiziehens von Kenntnissen über sonstige Verfahren bieten, da in diesem Fall das beklagte Unternehmen selbst die weiteren Verfahren des Studenten in den Prozess eingebracht hatte.
Die Richter in Berlin werden nun über die offenen Befangenheitsanträge entscheiden und ihre Verfahren abschließen. Es ist wahrscheinlich, dass auch diese Fälle beim BAG in Erfurt landen werden, was die rechtliche Spannung in dieser Angelegenheit erhöht. Ähnlich wie in einem früheren Fall eines Münchner Anwalts, der ebenfalls AGG-Klagen angestrengt hatte, bleibt die juristische Diskussion um den Umgang mit sogenannten „AGG-Hoppern“ und den Grenzen des Beibringungsgrundsatzes in Deutschland weiterhin aktuell.