Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und zugleich eine Geschlechtsdiskriminierung festgestellt. Nach Auffassung des Gerichts liegt in der eingeschränkten Anredeauswahl eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Dieses schützt auch die geschlechtliche Identität. Die betroffene Person konnte den Kaufvorgang nur abschließen, indem sie eine falsche Angabe zu ihrer Geschlechtsidentität machte. Auch wenn sie die Ware zu gleichen Bedingungen wie andere erwarb, blieb der Zwang zur Auswahl einer unzutreffenden Anrede ein Eingriff in die persönliche Sphäre.
Zudem führte das Gericht aus, dass die eingeschränkte Auswahl nichtbinäre Personen potenziell vom Kauf in Online-Shops abhalten könnte. Damit zeige sich, dass ein diskriminierender Effekt nicht nur auf Einzelfälle begrenzt bleibt.
Kein Anspruch auf Unterlassung
Ein Unterlassungsanspruch besteht laut dem Oberlandesgericht jedoch nicht. Die Anbieterin des Online-Shops hatte die Anredeauswahl nach Kenntnis des Anliegens der klagenden Person bereits geändert. Dadurch entfiel die Gefahr eines wiederholten Verstoßes.
Keine Entschädigung wegen fehlender Schwere
Auch einen Anspruch auf Entschädigung wies das Gericht zurück. Zwar stellte es eine Diskriminierung fest, doch diese sei nicht schwerwiegend genug, um eine Geldentschädigung zu rechtfertigen. Das Gericht betonte, dass die diskriminierende Handlung im privaten Bereich stattfand und nicht öffentlich war. Zudem habe die Beklagte nach Kenntnisnahme des Problems zeitnah reagiert und ihren Online-Auftritt entsprechend angepasst.
Bedeutung für die Praxis
Der Fall zeigt, dass Online-Dienste bei der Gestaltung ihrer Anredeoptionen besonderen Wert auf Inklusion legen sollten, um rechtliche Konflikte zu vermeiden. Für Betroffene ist entscheidend, dass ihr Persönlichkeitsrecht umfassend respektiert wird – auch bei scheinbar kleinen Details wie einer Anrede. Die Entscheidung unterstreicht zugleich die Bedeutung eines angemessenen Umgangs mit Diskriminierungsfragen: Reagieren Unternehmen frühzeitig und angemessen auf berechtigte Anliegen, können schwerwiegendere rechtliche Folgen häufig vermieden werden.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass die Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt nicht nur eine gesellschaftliche Verantwortung darstellt, sondern auch rechtlich geboten ist. In der anwaltlichen Praxis – etwa im IT- und Datenschutzrecht – ist es essenziell, Unternehmen vorausschauend bei der rechtssicheren Gestaltung von Online-Plattformen zu unterstützen.