Letzte Woche habe ich wieder einmal einen Vortrag für die dbb Akademie gehalten – Thema: digitale Betrugsmaschen. Besonders eindrücklich war dabei die Diskussion über einen aktuellen Fall, bei dem sich wieder zeigt, wie gefährlich und perfide automatisierte Betrugsversuche inzwischen sind.
Betrügerische Anrufe mit Computerstimme: Kein Mensch am anderen Ende
Die Masche klingt simpel – und ist doch hochwirksam. Angerufen wird wahlweise über das klassische Telefonnetz oder über WhatsApp. Am anderen Ende der Leitung: keine Person, sondern eine synthetische Stimme, die professionell und glaubhaft über eine angeblich bevorstehende hohe Paypal-Überweisung informiert. Der Clou: Am Ende der Ansage wird die angerufene Person dazu aufgefordert, eine Taste zu drücken – angeblich, um die Transaktion zu verhindern oder zu bestätigen.
Psychologische Tricks und technischer Aufwand: So funktioniert die Täuschung
Wer glaubt, hier spreche ein echter Mensch, wird schneller nervös, handelt impulsiv – und drückt die Taste. Genau das ist gewollt. Die Kriminellen setzen gezielt auf den sogenannten „Human Touch“ solcher Ansagen, der durch moderne Sprachsynthese immer glaubwürdiger wird. Was viele nicht bemerken: Es spricht keine reale Person, sondern eine Maschine. Erst nach Drücken der Taste erfolgt die Weiterleitung an eine echte Person – und ab diesem Punkt nimmt das Social Engineering seinen Lauf.
Viele erkennen den Trick nicht – und genau das macht ihn so gefährlich
Was in meinen Vorträgen immer wieder deutlich wird: Die emotionale Wirkung solcher Ansagen ist enorm. Viele Teilnehmer berichten, dass sie im ersten Moment tatsächlich dachten, sie hätten es mit einem Servicemitarbeiter zu tun. Der Grund liegt auf der Hand: Die Stimmen klingen zunehmend menschlich, die Gesprächssituation ist vertraut und zeitkritisch inszeniert. Die wenigsten rechnen in einem solchen Moment mit einem Betrugsversuch – und das macht die Täuschung so erfolgreich.
Technisch einfach, psychologisch hochwirksam
Für die Täter ist der Aufwand minimal. Eine vorproduzierte Ansage kann tausendfach automatisiert abgespielt werden. Die Telefonnummern stammen oft aus Datenlecks, zum Teil wird aber auch einfach willkürlich gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Angerufener tatsächlich Paypal oder Amazon nutzt, ist hoch. Sobald jemand reagiert, wissen die Täter: Hier lohnt sich der nächste Schritt.
Was die Täter wirklich wollen: Daten, Geld, oder beides
Nach der Weiterleitung an eine reale Person beginnt meist das eigentliche Betrugsgespräch. Ziel ist entweder die Herausgabe sensibler Daten wie Bankzugang, Adresse und E-Mail – oder sogar die Ausführung von Transaktionen durch das Opfer selbst. In manchen Fällen geraten Betroffene in die Rolle von sogenannten Money Mules, also ahnungslosen Helfern bei Geldwäsche.
Warum sofortiges Auflegen der beste Schutz ist
Wichtig zu wissen: Weder Paypal noch Amazon kontaktieren Kundinnen und Kunden telefonisch zu angeblichen Transaktionen – und schon gar nicht per automatisierter Ansage. Wer also einen solchen Anruf erhält, sollte sofort auflegen, keinerlei Angaben machen und auf keinen Fall eine Taste drücken. Nur so kann man verhindern, dass die Täter ansetzen.
Kontrolle nur über offizielle Kanäle – niemals über Anrufe
Im Zweifelsfall sollte man sich direkt beim jeweiligen Dienst über die Webseite oder App anmelden und dort die Transaktionen prüfen. Steht dort nichts Ungewöhnliches, besteht kein Handlungsbedarf. Gibt es Zweifel, hilft der direkte Kontakt über die offiziellen Kanäle. Unter keinen Umständen sollten Rückrufe an unbekannte Nummern erfolgen.
Ein nüchterner Blick auf die Realität: Auch Behördenmitarbeiter sind gefährdet
Was ich in meinen Schulungen an der dbb Akademie immer wieder betone: Auch Menschen mit Erfahrung im Umgang mit Behörden und Digitalisierung sind vor solchen Maschen nicht sicher. Die technische Qualität der Anrufe, das geschickte Framing der Situation und die emotionale Stresssituation, die durch Zeitdruck erzeugt wird, setzen selbst geübte Personen unter Druck.
Warum Sensibilisierung entscheidend ist – und wie sie gelingen kann
Es braucht eine realistische Einschätzung der Bedrohungslage. Wer weiß, dass solche Anrufe aktuell kursieren und dass Maschinen oft überzeugender klingen als Menschen in Callcentern, ist besser gewappnet. Es geht nicht um Panikmache, sondern um digitale Wachsamkeit – die beginnt mit der Erkenntnis, dass die freundliche Stimme am Telefon eben keine Kollegin ist, sondern ein Sprachprogramm mit betrügerischer Absicht.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“