Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht erstmals ein zentraler Ort für sensible Gesundheitsdaten zur Verfügung. Diese Daten können detaillierte Einblicke in den körperlichen, seelischen und geistigen Zustand eines Menschen bieten. Doch wie steht es um den Schutz dieser Informationen vor Zugriffen durch staatliche Behörden oder andere Dritte? Die rechtliche Lage ist komplex und wirft wichtige Fragen auf, die nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte und Datenschützer betreffen.
Psychische Erkrankungen und die Forderung nach Registern
Die Diskussion über Zugriffsrechte auf Gesundheitsdaten wurde jüngst durch Äußerungen von Carsten Linnemann (CDU) angeheizt. Nach einem Vorfall in Magdeburg forderte er ein Register für psychisch kranke Gewalttäter – ähnlich den Registern für Rechtsextreme und Islamisten. Kritiker wie Thilo Weichert, ehemaliger Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, warnen jedoch vor den Konsequenzen solcher Maßnahmen. Ein solches Register könne dazu führen, dass Betroffene aus Angst vor staatlichen Repressionen notwendige Behandlungen meiden. Das Vertrauen zwischen Patient und Arzt würde dadurch erheblich geschwächt.
Das Beschlagnahmeverbot und die Lücke bei der ePA
Im deutschen Recht ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stark geschützt. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass Angaben zu Anamnese, Diagnose und Behandlung unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen. Zudem regelt § 97 der Strafprozessordnung (StPO) ein Beschlagnahmeverbot für ärztliche Unterlagen, die sich im Gewahrsam von Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden.
Ein Problem entsteht jedoch bei der elektronischen Patientenakte: Im Gegensatz zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wird die ePA nicht ausdrücklich von § 97 StPO erfasst. Da die ePA von Krankenkassen bereitgestellt wird und nicht im direkten Gewahrsam der Ärzte liegt, ist unklar, ob sie ebenfalls unter den Beschlagnahmeschutz fällt. Zwar sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf für eine gesetzliche Klarstellung, doch Experten sind uneins, ob Krankenkassen in diesem Kontext als „mitwirkende Personen“ mit Zeugnisverweigerungsrecht gelten.
Patientenrechte und die Rolle der Krankenkassen
Das Bundesgesundheitsministerium betont, dass die ePA eine patientengeführte Akte ist. Patienten entscheiden selbst, welche Informationen gespeichert oder gelöscht werden. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass die Krankenkassen in ihrer Rolle als Dienstleister der Versicherten keinen direkten Bezug zur ärztlichen Behandlung haben und somit kein Zeugnisverweigerungsrecht genießen. Diese rechtliche Grauzone birgt Unsicherheiten für den Datenschutz der ePA.
Ärztliche Schweigepflicht und Ausnahmen
Trotz aller Schutzmechanismen gilt die ärztliche Schweigepflicht nicht absolut. In Fällen, in denen eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Dritter besteht, kann ein rechtfertigender Notstand vorliegen. Ärzte dürfen in solchen Situationen schweigepflichtige Informationen weitergeben, um schwere Straftaten zu verhindern. Diese Ausnahme betrifft jedoch nur konkrete Gefahrenlagen und setzt strenge rechtliche Rahmenbedingungen voraus.