Drama um ein Schlachtfohlen (Dressur-Studien 02/2017)

Der Mandant wollte Gutes tun: ein Fohlen vor dem Schlachthof retten, nach langen Jahren ohne Pferd wieder einen Kameraden für gemeinsame Ausritte finden und Abenteuer an der frischen Luft erleben. Aber Sie ahnen schon: Wenn der Anwalt die Geschichte aufschreibt, kam es anders. In diesem Fall: katastrophal anders, denn der Mandant vertraute für die erste Reise des Fohlens auf die Dienste der falschen Dame.

Für den Transport des Tieres aus der Schweiz hatte sich eine Transporteurin angeboten, die sich umfassender Erfahrungen berühmte – und weil die Frau auch als Vorstand eines einschlägigen Fördervereins firmierte, war das Vertrauen groß. Weil auch der Preis für den Transport kein Schnäppchen, sondern sogar etwas höher als bei anderen Transporteuren war, stellte der Mandant nicht mehr viele Fragen. Er überwies Honorar und Zollgebühren bereits vorab und freute sich auf den Tag, an dem der kleine Vierbeiner im Westerwald eintreffen sollte. Vielleicht hätte er sich anders entschieden, wenn er die am Telefon geschmeidige Dienstleisterin vorher noch persönlich getroffen oder wenigstens ihr Equipment gesehen hätte.

So aber ereilte ihn die Wahrheit über die Sachverstand der Frau erst in Form eines Anrufs etliche Stunden nach dem eigentlich angekündigten Ankunftstermin des Transports in Deutschland: Man sei noch weit vom Stall entfernt, er brauche nicht mehr zu warten, denn das Fohlen sei tot.

Zwei Tage später stand dann der Anwalt über dem im Pferdehänger zurückgelassenen Kadaver des jungen Pferdes und versuchte zu sortieren, warum in diesem Fall all das so gründlich schiefgegangen war, was nie hätte schiefgehen dürfen.

Schon bei der Abfahrt des Transports in der Schweiz hatte sich das frisch von der Mutterstute getrennte Fohlen über alle Maßen aufgeregt und war kaum zu beruhigen gewesen. Die erste Fahrt in einem technisch ungepflegten und nicht auf Fohlen eingerichteten Hänger endete bereits nach wenigen Kilometern: Da hatte das Fohlen es trotz Anbindung geschafft, mit den Vorderbeinen das Dachfenster zu durchschlagen und war vor der Mittelabtrennung im Hänger zu liegen gekommen. Nur mithilfe des Züchters konnte der Transport zum Hof zurückkehren.

Jeder vernünftige Mensch hätte spätestens jetzt von einem weiteren Transportversuch abgesehen und das Tier untersucht. Nicht so die selbsternannte Transporteurin, die stattdessen Sedalin zum Einsatz brachte: Mutmaßlich zu stark sediert wurde das Fohlen im Hänger kurz angebunden und ging erneut auf Reise – auf seine zweite und letzte.
Um „kein Risiko einzugehen“, so die Transporteurin später, umging sie heimlich die Grenzkontrollen an der deutschen Grenze – denn das Fohlen habe noch immer im Hänger randaliert. Zwei Stunden später, Wagen und Hänger standen in einem Stau auf der Autobahn, habe man einen heftigen Schlag im Hänger verspürt. „Da habe ich mir schon gedacht, jetzt ist der kollabiert“, erzählt die Transporteurin zwei Tage später ungerührt, während neben ihr noch immer der Kadaver des völlig durchgeschwitzten Fohlens in dem beschädigten Hänger liegt.

Und nein, niemand war auf der Autobahn ausgestiegen, um nach dem Fohlen zu sehen. Niemand war rechts rangefahren oder hatte den Notruf gewählt. Erst drei (!) Raststätten weiter habe sich eine Gelegenheit gefunden, mal hinten in den Hänger zu sehen und, Überraschung, da war das Pferd „vermutlich“ schon tot.

Als wir zwei Tage später den Kadaver des kleinen Freibergers untersuchten, konnte man in dem völlig chaotischen Hänger nur ahnen, welche Dramen sich darin abgespielt hatten. Wie das Fohlen um sein Leben gekämpft haben muss, während sich vorne im Wagen niemand kümmern wollte. Die Fotos der Untersuchung will der Mandant aus gutem Grund bis heute nicht ansehen.

Auch als Anwalt kann man es da nicht mehr witzig finden, wenn die Transporteurin noch neben der Pferdeleiche als Erstes fragt, wer nun den Schaden am Hänger bezahlt. Dem Mandanten hilft die Aussicht nur wenig, dass die gute Frau nun Besuch von einigen Behörden und Post in gelben Umschlägen vom Gericht bekommen wird, denn bekanntlich macht all das ein totes Tier nicht mehr lebendig.

Aber er weiß jetzt, warum gewerbliche Tiertransporteure einer staatlichen Aufsicht unterliegen. Warum sie für ihre Tätigkeit und das eingesetzte Equipment Genehmigungen brauchen, die regelmäßig überprüft werden. All das kann nicht jedem schwarzen Schaf das Handwerk legen, aber es setzt die Messlatte für die Amateure und Gelegenheitsabkassierer höher.

Gute Transporteure sind stolz darauf, dass sie kontrolliert werden – weil sie Kontrollen nicht fürchten müssen. Also stellen Sie ruhig ein paar Fragen mehr, als es der Mandant getan hat.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 02/2017 der Dressur-Studien, die Sie hier erwerben können.

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