Im Zentrum des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg steht der Fall eines Nebenerwerbslandwirts, der neben seiner Vollzeitbeschäftigung einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, der hauptsächlich auf der Haltung von Pensionspferden basiert. Der Kläger, ein bei einer Bank beschäftigter Sachbearbeiter, übernahm 1996 durch Pachtvertrag den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb seines Vaters. Der Betrieb umfasst die Haltung von Pensionspferden auf eigener Futtergrundlage sowie Wein- und Streuobstbau auf etwa 12,3 ha Nutzflächen. Im Jahr 2007 beschloss der Kläger, seinen Betrieb in den Außenbereich zu verlagern, um ihn zu vergrößern und zu modernisieren. Er beantragte die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Offenstalls mit 18 Pferdeboxen und Außenpaddocks sowie eines Einfamilienhauses in Ortsrandlage. Während die Baugenehmigung für den Offenstall erteilt wurde, lehnte der Beklagte die Genehmigung für das Einfamilienhaus ab. Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab der Klage des Klägers statt, woraufhin der Beklagte Berufung einlegte.
Die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg bestätigt die Zulässigkeit des Wohnhauses als Teil des landwirtschaftlichen Betriebs. Der Senat betont, dass die Pensionspferdehaltung des Klägers als landwirtschaftlicher Betrieb i. S. des § 35 Abs. 1 Nr. 1 i. V.m. § 201 BauGB zu qualifizieren ist. Hierbei sei entscheidend, dass der Betrieb eine spezifisch betriebliche Organisation, Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit sowie ein auf Dauer angelegtes und lebensfähiges Unternehmen darstellt. Trotz der hauptberuflichen Tätigkeit des Klägers und seiner Ehefrau sowie der Tatsache, dass die meisten Betriebsflächen gepachtet sind, werden die Anforderungen an einen landwirtschaftlichen Betrieb erfüllt.
Das Urteil hebt hervor, dass das Wohnhaus dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, indem es die notwendige Anwesenheit und Bereitschaft des Betriebsinhabers ermöglicht, was besonders bei Nebenerwerbsbetrieben von Bedeutung ist. Die Nähe des Wohnhauses zum Offenstall sei für die ordnungsgemäße Versorgung und Überwachung der Pferde sowie die Sicherheit des Betriebs unerlässlich. Zudem sei die Investition in das Wohnhaus wirtschaftlich vertretbar und stehe in einem angemessenen Verhältnis zu den betrieblichen Vorteilen.
Persönliche Bewertung befürwortend:
Diese Entscheidung des VGH Baden-Württemberg ist lobenswert, da sie die Realitäten moderner landwirtschaftlicher Betriebe, insbesondere Nebenerwerbsbetriebe, anerkennt und unterstützt. Die Anerkennung der Pensionspferdehaltung als landwirtschaftlichen Betrieb und die Genehmigung des Wohnhauses im Außenbereich ermöglichen es dem Kläger, seinen Betrieb effektiv zu führen und gleichzeitig seinen Hauptberuf beizubehalten. Dieses Urteil trägt zur Vitalität des ländlichen Raums bei und unterstützt die Diversifizierung in der Landwirtschaft.
Persönliche Bewertung ablehnend:
Die Entscheidung des VGH könnte jedoch kritisch gesehen werden, da sie möglicherweise einen Präzedenzfall für die Zulassung weiterer Bauvorhaben im Außenbereich schafft, was den Grundsatz der strikten Trennung von Innen- und Außenbereichen untergräbt. Die Genehmigung eines Wohnhauses für einen Nebenerwerbslandwirt könnte zu einer Zersiedelung und einer zunehmenden Inanspruchnahme von Flächen im Außenbereich führen, was den landschaftlichen Charakter und ökologische Belange gefährden könnte.
Das Urteil wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 15. Dezember 2010 unter dem Aktenzeichen 8 S 2517/09 gefällt.