Entläuft ein Tier, verliert es nicht automatisch seinen Eigentümer. Erst wenn ein Halter weder ermittelt noch kurzfristig zu erwarten ist, dass er sich meldet, liegt ein Fundtier vor. Mit der Fundanzeige bei Polizei oder Ordnungsbehörde entsteht hoheitliche Zuständigkeit: Die Kommune wird Fundbehörde. Das Tierheim handelt als deren Erfüllungsgehilfe und ist verpflichtet, das Tier zu verwahren. Finder haben damit einen einfachen, aber essenziellen ersten Schritt: die unverzügliche Meldung. Geschieht das, trägt die öffentliche Hand ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich die Verantwortung für Behandlung und Unterbringung.
Rechtslage zwischen Finder, Ordnungsamt und Tierheim
Die Kommune hat zwei Rollen. Als Fundbehörde verwaltet sie herrenlose Tiere. Parallel besteht ihre ordnungsrechtliche Pflicht, Gefahren für öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Eine verletzte, womöglich ölverschmierte Katze kann Infektionsrisiken und erhebliches Tierleid darstellen. In der Praxis delegiert die Stadt viele Aufgaben an das Tierheim. Doch rechtlich bleibt sie Herrin des Verfahrens. Reagiert das Tierheim nicht, muss die Kommune eingreifen oder einen Dritten beauftragen. Eine bloße Verweigerung unter Hinweis auf fehlende Fangkapazitäten genügt nicht.
Pflichten des Finders – warum „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie“ zu kurz greift
Finder genießen Besitzschutz am Tier, dürfen es also vor Gefahren bewahren. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, riskante Fangaktionen oder kostspielige Behandlungen zu veranlassen. Tun sie es freiwillig, handeln sie meist ohne ausdrücklichen Auftrag. Die verbreitete Ansicht, der Finder habe jede Rechnung zu tragen, übersieht den Zweck des Fundrechts: Eigentum sichern und Gefahren für Tier und Allgemeinheit abwenden. Sobald das Tier als Fundtier angezeigt ist, ist die Kommune Kostenschuldnerin – allerdings nur, wenn die nächsten Schritte in ihrem Interesse liegen oder sie versagt hat.
Geschäftsführung ohne Auftrag: Voraussetzungen im Überblick
Nach den Paragrafen 677 bis 687 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann derjenige, der ein fremdes Geschäft besorgt, Ersatz der erforderlichen Aufwendungen beanspruchen, wenn
1. er eines fremden Geschäfts bewusst und gewollt tätig wird,
2. ohne rechtliche Verpflichtung handelt und
3. mit zumindest mutmaßlichem Willen des Geschäftsherrn agiert.
Bei Fundtieren nimmt der Finder ein Geschäft der Kommune wahr: Verwahrung, Versorgung, Gefahrenabwehr. Er muss jedoch nachweisen, dass die Behörde entweder nicht erreichbar war oder untätig blieb und dass seine Maßnahmen objektiv geboten waren. Fehlt dieser Nachweis – etwa weil das Ordnungsamt erreichbar gewesen wäre oder keine akute Gefahr mehr bestand –, scheitert der Kostenerstattungsanspruch.
Öffentlich-rechtliche Sonderkonstellation: Paragraf 679 BGB
Eine Besonderheit greift, wenn eine staatliche Stelle ihrer öffentlich-rechtlichen Pflicht nicht nachkommt. Paragraf 679 BGB erlaubt dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz, auch wenn er nicht im Interesse der Behörde handeln wollte. Entscheidend ist:
– Die Kommune war selbst zur Tierhilfe verpflichtet.
– Es bestand Gefahr im Verzug.
– Ein Abwarten hätte das Tierwohl oder die öffentliche Sicherheit weiter beeinträchtigt.
Gelangen Tierfreunde an den Punkt, wo Tierheim und Ordnungsamt sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, entsteht genau diese Lücke. Dokumentiert der Finder erfolglose Kontaktversuche und die akute Notlage des Tiers, stärkt das den Anspruch aus Paragraf 679. Ohne saubere Beweise bleibt er jedoch angreifbar.
Tierarztkosten: Wann muss die Gemeinde zahlen?
Klassisch erstattet die Kommune die notwendigen Aufwendungen: Untersuchung, Schmerzbehandlung, gegebenenfalls Euthanasie. „Notwendig“ heißt dabei, dass eine unverzügliche Maßnahme tier- oder seuchenrechtlich geboten war. Wer dagegen ohne Rücksprache kostspielige Diagnostik oder Spezialoperationen veranlasst, riskiert, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben. Bei kleineren Beträgen verzichten Behörden häufig auf langwierige Streitigkeiten und zahlen „zur Meidung weiteren Verwaltungsaufwands“. Das ist aber Gnadenrecht, kein Rechtsanspruch.
Typische Irrtümer aus der Facebook-Diskussion
– „Wer fängt, muss zahlen.“ Falsch. Entscheidend ist die Zuständigkeit, nicht die Person, die aktiv wurde.
– „Eine Falle scharf stellen ist immer erlaubt.“ Irrtum. Das Tierschutzgesetz, Landesjagdrecht und kommunale Satzungen setzen enge Grenzen, etwa zur Aufsichtspflicht und Schonung.
– „Tierärzte müssen zuerst nach dem Auftraggeber fragen.“ Nur bedingt. Bei akuter Tiernot sind sie zur Hilfeleistung verpflichtet, können aber eine Sicherheit für die Kosten verlangen.
So sichern Finder ihren Kostenerstattungsanspruch
1. Fundtier unverzüglich bei Polizei oder Ordnungsamt melden und Aktenzeichen notieren.
2. Schriftlich (E-Mail reicht) um behördliche Anweisung bitten: Übernahme, Fanghilfe, Tierarzt.
3. Telefonprotokolle erstellen, Gesprächspartner und Uhrzeit festhalten.
4. Fotos und Videos vom Gesundheitszustand dokumentieren.
5. Nur Maßnahmen veranlassen, die tierärztlich dringend sind.
6. Rechnungen auf die Kommune ausstellen lassen und Kopie aufbewahren.
Je detaillierter der Nachweis, dass die Behörde untätig blieb und Gefahr im Verzug war, desto höher die Chance auf Erstattung.
Verfahrensschritte bei verweigerter Zahlung
Lehnt die Kommune die Kostenübernahme ab, haben Finder mehrere Optionen:
– Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid binnen eines Monats.
– Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht.
– Geltendmachung der Aufwendungen nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag vor dem Zivilgericht, wenn kein Verwaltungsakt vorliegt.
Welcher Weg der richtige ist, hängt von der konkreten Fallkonstellation ab. Beweissicherung ist in jedem Fall essenziell. Ohne lückenlose Dokumentation sinken die Erfolgsaussichten erheblich.
Fazit: Prozessrisiko abwägen und künftig richtig handeln
In der geschilderten Ausgangslage fehlt es häufig an beweiserheblichen Unterlagen: Behördliche Untätigkeit ist schwer zu belegen, wenn Telefonate unprotokolliert bleiben. Die Finderin wird daher voraussichtlich scheitern, die Tierarztkosten erstattet zu bekommen. Für künftige Fälle gilt: Erst melden, dann handeln, alles schriftlich festhalten. Das reduziert das Prozessrisiko und erhöht die Bereitschaft der Kommune, auf dem kurzen Dienstweg zu zahlen.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“