Im Fall des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Januar 2024 (Az. 1 BvR 1615/23) stand die Frage im Mittelpunkt, ob das Recht auf den gesetzlichen Richter oder das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wird, wenn Richter in einer Videoverhandlung nur in der Totalen zu sehen sind. Die Beschwerdeführer hatten argumentiert, dass die fehlende Möglichkeit, die Gesichter der Richter genau zu sehen und ihre Mimik zu beobachten, ihre Rechte verletzte. Sie sahen sich dadurch in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, die Unbefangenheit der Richter zu beurteilen.
Das BVerfG stellte fest, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht verletzt wird, da eine richtige Gerichtsbesetzung vorlag und die reine Unmöglichkeit, Gesichter genau zu sehen, hierfür nicht ausreichend ist. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass die fehlende Möglichkeit, die Unvoreingenommenheit der Richter zu überprüfen, das Recht auf ein faires Verfahren beeinträchtigen könnte. Dieses Recht verlangt, dass Verfahrensbeteiligte die Neutralität und Unabhängigkeit des Gerichts hinreichend überprüfen können. Da die Beschwerdeführer diesen Aspekt jedoch nicht ausreichend substantiiert vorgetragen hatten, konnte das BVerfG keine abschließende Beurteilung über eine mögliche Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren vornehmen.
Die Entscheidung des BVerfG erscheint gerechtfertigt, da sie die Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter bekräftigt, gleichzeitig aber auch die Bedeutung des Rechts auf ein faires Verfahren anerkennt. Dies zeigt ein ausgewogenes Verständnis dafür, wie technologische Entwicklungen – wie die Durchführung von Videoverhandlungen – die Grundrechte beeinflussen können.
Andererseits könnte diese Entscheidung als verpasste Gelegenheit gesehen werden, klare Richtlinien für die Durchführung von Videoverhandlungen zu etablieren, insbesondere im Hinblick auf die Qualität der Bildübertragung und die dadurch bedingten Einschränkungen der Beobachtungsmöglichkeiten. Die Entscheidung lässt Raum für Unsicherheiten darüber, wie Gerichte künftig die Anforderungen an ein faires Verfahren in der digitalen Ära sicherstellen können.
Die Entscheidung des BVerfG erging am 15. Januar 2024 unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1615/23.