E-Bike, Pedelec oder S-Pedelec – Die rechtlichen Unterschiede sind entscheidend
Die Begriffe E-Bike und Pedelec werden häufig umgangssprachlich synonym verwendet, obwohl sie rechtlich unterschiedlich behandelt werden. Tatsächlich hängt die Frage, wer im Schadensfall haftet und ob eine Versicherung zahlen muss, maßgeblich davon ab, welche Kategorie vorliegt.
Ein „echtes“ E-Bike ist ein elektrisch betriebenes Fahrrad, das auch ohne Unterstützung durch Pedaltreten fahren kann. Es fällt rechtlich in die Kategorie der Kleinkrafträder, benötigt ein Versicherungskennzeichen und unterliegt der Pflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz. Ebenso gehören hierzu die sogenannten S-Pedelecs, deren Motor bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h unterstützt.
Anders sieht es bei einem Pedelec aus: Hier wird der Fahrer beim Treten bis maximal 25 km/h vom Elektromotor unterstützt. Ein Versicherungskennzeichen ist nicht notwendig, und damit entfällt auch die Pflichtversicherung. Bei Schäden, die mit einem solchen Pedelec verursacht werden, greift deshalb grundsätzlich die private Haftpflichtversicherung des Fahrers – wenn eine solche besteht.
Kein Direktanspruch gegen die private Haftpflichtversicherung
Anders als bei Pflichtversicherungen besteht bei einer privaten Haftpflichtversicherung kein Direktanspruch des Geschädigten gegenüber der Versicherung des Verursachers. Das bedeutet: Wer durch ein Pedelec zu Schaden kommt, muss seinen Anspruch immer direkt gegen den Fahrer (Schädiger) richten. Die Versicherung wird erst im Hintergrund relevant. Der Geschädigte kann also nicht unmittelbar auf Zahlung durch die private Haftpflichtversicherung bestehen, sondern muss sich stets an den Schädiger selbst wenden.
Dies unterscheidet die Rechtslage von Fällen mit versicherungspflichtigen E-Bikes deutlich: Bei versicherungspflichtigen Fahrzeugen besteht gemäß § 115 VVG ein gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung. Beim Pedelec ist dies nicht gegeben. Der Irrtum, dass man bei Schäden durch privat haftpflichtversicherte Fahrradfahrer direkt die Versicherung in Anspruch nehmen könne, hält sich dennoch hartnäckig.
Zahlungsverweigerung durch die Versicherung bei Beitragsrückstand
Ein häufiger Streitpunkt in der Praxis ist, ob eine private Haftpflichtversicherung die Zahlung verweigern darf, wenn der Versicherungsnehmer zum Schadenszeitpunkt mit den Beiträgen in Verzug war. Hier ist zu unterscheiden:
Gemäß § 38 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) darf eine Versicherung bei Verzug mit der Zahlung der Erst- oder Folgeprämie nach einer vorherigen Mahnung mit Fristsetzung leistungsfrei sein, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der gesetzten Frist eintritt. Eine pauschale Leistungsverweigerung allein wegen eines Beitragsrückstandes, ohne dass zuvor eine Mahnung mit Fristsetzung erfolgt ist, wäre hingegen unzulässig. Liegt eine wirksame Mahnung mit Fristsetzung jedoch vor und wurde daraufhin nicht gezahlt, darf die Versicherung tatsächlich die Zahlung verweigern.
Das bedeutet aber nur, dass die Versicherung nicht verpflichtet ist, gegenüber ihrem eigenen Kunden (dem Schädiger) einzustehen. Für den Geschädigten bleibt es bei seinem Anspruch direkt gegen den Verursacher, unabhängig von der Versicherungsfrage.
Zahlung des Rückstandes nach Schadensfall – Versicherungsschutz rückwirkend?
Ein weiterer verbreiteter Irrtum ist, dass durch nachträgliche Zahlung der rückständigen Beiträge nach Eintritt des Versicherungsfalls wieder voller Versicherungsschutz hergestellt würde. Dem ist jedoch nicht so: Die Versicherung kann die Zahlung weiterhin verweigern, wenn der Versicherungsfall nach Ablauf der gesetzten Frist eingetreten ist. Die nachträgliche Begleichung der Prämie schafft rückwirkend keinen Versicherungsschutz für bereits eingetretene Schäden, sondern höchstens für zukünftige.
Hierbei könnte der Versicherer zwar aus Kulanz oder aus vertraglichen Sonderregelungen heraus entscheiden, trotzdem zu leisten, allerdings nur gegenüber dem eigenen Kunden, nicht gegenüber dem Geschädigten unmittelbar.
Rückgriff (Regress) durch die Versicherung beim Versicherten
Falls die Versicherung aus Kulanz oder aufgrund besonderer Umstände dennoch entscheidet, den Schaden gegenüber dem Geschädigten zunächst zu regulieren, steht ihr in der Tat ein Rückgriff auf den Versicherungsnehmer zu, wenn dieser mit Prämien im Rückstand war. Diese Situation ist jedoch in der Praxis selten. Die Versicherung ist in solchen Fällen in der Regel von der Leistungspflicht befreit und wird deshalb von Anfang an eher nicht zahlen.
Die Aussage, die Versicherung „müsse zahlen und könne dann Regress beim Kunden nehmen“, ist somit irreführend. Dies trifft auf Fälle privater Haftpflichtversicherungen grundsätzlich nicht zu, insbesondere nicht bei wirksamem Leistungsentfall wegen Beitragsrückstand.
Empfehlung für Geschädigte: Direkt gegen Schädiger vorgehen
Geschädigte, deren Auto oder anderes Eigentum durch ein privat haftpflichtversichertes Pedelec beschädigt wurde, sollten sich direkt an den Schädiger wenden. Dies gilt insbesondere, wenn die private Haftpflichtversicherung bereits die Zahlung ablehnt. In diesem Fall bleibt nur die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs unmittelbar gegen den Schadensverursacher. Ob und wie dieser dann im Innenverhältnis zur Versicherung agiert, beeinflusst den Anspruch des Geschädigten nicht.
Für Schädiger empfiehlt sich dringend eine schnelle Klärung mit der Versicherung. Eventuell vorhandene Beitragsrückstände sollten umgehend reguliert werden, um zumindest künftig wieder vollen Versicherungsschutz sicherzustellen.
Zusammengefasst gilt also: Ein Direktanspruch gegen die Versicherung besteht bei privat haftpflichtversicherten Pedelecs grundsätzlich nicht. Die Haftung liegt vollständig beim Fahrer persönlich, und eine Zahlungsverweigerung der Versicherung wegen Beitragsrückständen ist rechtlich legitim, wenn zuvor eine ordnungsgemäße Mahnung mit Fristsetzung erfolgt ist.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“