Ansprüche wegen HD beim Hund: Was Züchter wissen und beachten müssen
Wenn ein Käufer nach über einem Jahr behauptet, sein Hund leide an schwerer Hüftgelenksdysplasie (HD) und fordere daraufhin Ersatz medizinischer Kosten in erheblicher Höhe, ist für viele Züchter der erste Reflex: Ungläubigkeit und Sorge. Spätestens wenn dann noch öffentlich ein gesunder, bewegungsfreudiger Hund zu sehen ist, entsteht der Eindruck, dass hier mehr Behauptung als Realität im Spiel sein könnte. Dennoch: Solche Fälle bergen rechtlich hohes Konfliktpotenzial – insbesondere, wenn der Käufer behauptet, es liege ein sogenannter „versteckter Mangel“ mit genetischer Ursache vor.
Welche Rechte Käufer geltend machen könnten – und unter welchen Bedingungen
Im Grundsatz hat jeder Käufer das Recht, bei einem sogenannten Sachmangel – also einer Abweichung der Ist-Beschaffenheit des Hundes von der vereinbarten oder zu erwartenden Soll-Beschaffenheit – Nacherfüllung zu verlangen. Das kann beim Tier etwa eine Behandlung oder sogar eine Rücknahme des Hundes samt Rückzahlung des Kaufpreises sein.
Ein genetischer Defekt wie schwere HD wird dabei oft als „versteckter Mangel“ angesehen. Problematisch ist jedoch die Beweisbarkeit: Der Käufer müsste im Streitfall nachweisen, dass die Erkrankung bereits bei Übergabe zumindest angelegt war und nicht auf späteres Fehlverhalten, falsche Ernährung, Überlastung oder Unfälle zurückgeht. Das gelingt selten – und wird im Regelfall nur durch ein gerichtliches Gutachten möglich sein.
Beweislast und ihre praktische Bedeutung für die Haftung des Züchters
Besonders wichtig: Die gesetzliche Beweislastregel kehrt sich nach sechs Monaten um. Während innerhalb dieser Frist der Verkäufer nachweisen müsste, dass der Mangel bei Übergabe nicht vorhanden war, liegt die volle Beweislast danach beim Käufer. Bei einem Hund, der bereits 1,5 Jahre alt ist, kann also ohne klare, objektivierte tierärztliche Befunde mit rückdatierbarem Krankheitsverlauf kaum etwas gegen den Züchter durchgesetzt werden.
Kommt nur ein pauschaler, nicht unterschriebener „Befund“ mit der Behauptung schwerer HD, fehlt es an der nötigen Substanz für einen Anspruch. Eine fundierte Diagnose umfasst nicht nur Schlagworte, sondern eine klinische Untersuchung, Bildgebung (z.?B. Röntgenaufnahmen unter Narkose), Begründung der Diagnose und des Schweregrads sowie die klare Therapieempfehlung.
Instagram-Videos als mögliche Beweisgrundlage für den Züchter
Wer öffentlich sichtbar seinen Hund bei ausgedehnten Spaziergängen, Sprüngen und unauffälligem Gangbild zeigt, liefert damit möglicherweise einen Gegenbeweis zu der behaupteten Erkrankung. Solche Videos sind relevant und sollten umgehend gesichert werden – idealerweise datiert, am besten über Download statt bloßem Screenshot.
Allerdings ersetzt dies keine eigene tierärztliche Begutachtung. Wer ernsthaft Zweifel an der Darstellung des Käufers hat, kann – und sollte – auf Herausgabe des Hundes zum Zwecke der Untersuchung durch einen neutralen Spezialisten bestehen. Dieses Recht zur „Nacherfüllung“ steht dem Verkäufer rechtlich zu.
Warum anwaltliche Vertretung jetzt entscheidend ist
Gerade weil das Verhältnis zu Käufern aus dem Hobbybereich oft emotional behaftet ist, drohen bei unbedachten Äußerungen oder vorschnellen Reaktionen rechtliche Nachteile. Ein erfahrener Anwalt kann helfen, die Kommunikation professionell zu gestalten, formale Anforderungen zu sichern und insbesondere eigene Rechte frühzeitig geltend zu machen.
Denn: Wer nicht rechtzeitig verlangt, dass der Hund vorgestellt wird, könnte später vor Gericht den Vorwurf erhalten, eine Nachbesserung vereitelt zu haben. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass ein Käufer auf Rücktritt oder Schadensersatz klagt – und man dann erstmals mit einem schriftlichen Gutachten konfrontiert wird, das ohne eigene tierärztliche Bewertung schwer angreifbar ist.
Erbliche HD: Relevanz in der Zuchtpraxis und juristische Grenzen
Nicht jede Form von HD ist automatisch genetisch bedingt – und selbst bei genetischer Disposition spielen Umweltfaktoren wie Ernährung, Bewegung und Haltung eine erhebliche Rolle bei der Ausprägung. Zudem ist HD bei vielen Kleinhunderassen weder zuchtausschließend noch regelmäßig untersucht.
Züchter, die mit untersuchten, gesunden Elterntieren arbeiten und keine familiäre Häufung in ihrer Linie dokumentieren müssen, haben gute Chancen, sich gegen pauschale Vorwürfe zu verteidigen. Dennoch sollte die Zuchtpraxis dokumentiert und nachvollziehbar sein – einschließlich vorliegender Gesundheitsnachweise der Elterntiere, Zuchtzulassungen und etwaiger tierärztlicher Kontrollen.
Rechtlich klug agieren statt emotional reagieren
Der wichtigste Rat in solchen Fällen lautet: Kühlen Kopf bewahren. Auch wenn der Vorwurf schwerwiegend ist, ist ein tatsächlicher Anspruch keineswegs gegeben. Entscheidend ist, ob der Käufer beweisen kann, dass die Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag und ein echter, nicht offensichtlicher Mangel gegeben war.
Sprechen Sie mit einem fachkundigen Anwalt, lassen Sie sich zur Kommunikation mit dem Käufer beraten und fordern Sie – schriftlich – die Herausgabe des Hundes zur tierärztlichen Nachuntersuchung, wenn Sie Zweifel an der Diagnose oder deren Ernsthaftigkeit haben.
Das Vorgehen sollte strategisch klug sein: Sicherung eigener Beweise (Videos, Gesundheitsdokumentation, Elterntieruntersuchungen), professionelle Kommunikation und im Zweifel die rechtzeitige Einbindung sachverständiger Tierärzte sind entscheidend für eine erfolgreiche Abwehr unberechtigter Forderungen.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“