Hundehaltung in Eigentumswohnungen: rechtlicher Rahmen und typische Streitpunkte
Die Haltung von Hunden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist ein regelmäßig wiederkehrender Streitpunkt unter Eigentümern. Gerade bei größeren Hunden oder bestimmten Rassen stoßen Tierhalter häufig auf Widerstand – auch dann, wenn objektiv keine Belästigung oder Gefahr besteht. Dabei gilt: Ein generelles Verbot der Hundehaltung lässt sich in einer bestehenden WEG-Anlage kaum wirksam durchsetzen.
Entscheidend ist, ob die Hundehaltung bereits vor Einzug bekannt oder von der Gemeinschaft durch Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung eingeschränkt wurde. Fehlen ausdrückliche Verbote, kann ein Eigentümer grundsätzlich davon ausgehen, dass er sein Sondereigentum auch zur Tierhaltung nutzen darf – solange dies keine unzumutbare Beeinträchtigung für andere darstellt.
Keine nachträglichen Verbote ohne einstimmigen Beschluss
Ein nachträglicher Mehrheitsbeschluss der WEG, mit dem einzelnen Eigentümern die Hundehaltung untersagt werden soll, ist in der Regel unwirksam. Solche Verbote greifen massiv in das Sondernutzungsrecht ein und bedürfen der Zustimmung aller Eigentümer – einschließlich des betroffenen Halters.
Auch wenn in der Eigentümerversammlung eine Mehrheit für ein Hundeverbot stimmen sollte, fehlt diesem Beschluss die erforderliche Rechtsgrundlage, wenn er in Rechte einzelner Eigentümer ohne deren Zustimmung eingreift. Die Rechtslage ist in diesem Punkt eindeutig: Eigentümer können nur einstimmig eine Änderung beschließen, die über die ordnungsgemäße Verwaltung hinausgeht und in das Eigentumsrecht Einzelner eingreift.
Hundehaltung und Persönlichkeitsrecht – Schutz durch das Grundgesetz
Die Haltung eines Haustieres fällt unter die allgemeine Handlungsfreiheit des Artikel 2 Grundgesetz. Die Gerichte erkennen in ständiger Rechtsprechung an, dass das Leben mit einem Hund zur persönlichen Lebensgestaltung gehört. Ein generelles Verbot der Hundehaltung ist mit dieser grundrechtlich geschützten Freiheit unvereinbar.
Ein solches pauschales Verbot – etwa durch Mehrheitsbeschluss – wäre daher nicht nur anfechtbar, sondern in der Regel nichtig. Das bedeutet: Der Beschluss entfaltet keine rechtliche Wirkung, auch wenn er formal zustande gekommen ist.
Was gilt bei „Kampfhunden“, großen Hunderassen und Mischlingen?
Viele Konflikte entzünden sich an der Rasse des Hundes. In einigen Bundesländern existieren sogenannte Rasselisten, in denen bestimmte Hunderassen als besonders gefährlich eingestuft werden. Niedersachsen zählt jedoch zu den wenigen Bundesländern, die keine solche Liste mehr führen.
Entscheidend ist daher nicht die Rassezugehörigkeit, sondern das konkrete Verhalten des Hundes. Ein gut erzogener, angeleinter Hund stellt kein Sicherheitsrisiko dar – selbst wenn er von seiner Erscheinung her als „gefährlich“ eingeschätzt wird. Das Angebot, dem Hund im Treppenhaus einen Maulkorb anzulegen, zeigt zudem Kooperationsbereitschaft und Rücksichtnahme – ein weiteres Argument gegen ein pauschales Haltungsverbot.
Tierhaltung als ordnungsgemäße Nutzung des Sondereigentums
Die Nutzung des Sondereigentums zur Hundehaltung ist zulässig, solange sie im Rahmen der ordnungsgemäßen Nutzung liegt. Dazu gehört etwa, dass der Hund im Haus stets angeleint geführt wird, keine andauernde Geräuschbelästigung entsteht und keine aggressiven Verhaltensweisen gezeigt werden.
Der Maßstab ist stets die Zumutbarkeit für die übrigen Eigentümer. Angst einzelner Bewohner vor Hunden genügt für sich allein nicht, um ein Verbot zu rechtfertigen. Erst wenn objektiv feststellbare Störungen – etwa durch Bellen, Verschmutzungen oder Bedrohungen – auftreten, kann die Gemeinschaft ein Vorgehen verlangen.
Anfechtung unzulässiger Beschlüsse – Fristen und Verfahren
Wird dennoch ein Beschluss gegen die Hundehaltung gefasst, sollten betroffene Eigentümer umgehend prüfen lassen, ob dieser rechtlich Bestand hat. Denn: Selbst ein nichtiger Beschluss kann in der Praxis vollzogen werden, wenn er nicht rechtzeitig angefochten wird.
Nach § 44 Abs. 1 WEG ist die Klage gegen einen Beschluss binnen eines Monats nach Beschlussfassung beim zuständigen Amtsgericht zu erheben. Zudem muss der Beschluss binnen zwei Monaten begründet werden. Diese Fristen sind zwingend einzuhalten – versäumt man sie, wird der Beschluss bestandskräftig, selbst wenn er rechtswidrig war.
Wer sich rechtzeitig anwaltlich beraten lässt, kann jedoch mit guten Erfolgsaussichten gegen unzulässige oder formfehlerhafte Beschlüsse vorgehen.
Versammlungen mit verkürzter Ladungsfrist – unzulässig ohne Einverständnis
Ein weiterer Angriffspunkt ist die Einberufung der Eigentümerversammlung selbst. Die gesetzliche Einladungsfrist beträgt drei Wochen. Nur wenn alle Eigentümer einer kürzeren Frist zustimmen, ist eine abweichende Ladung wirksam. Fehlt es an dieser Zustimmung, kann die gesamte Versammlung anfechtbar sein – einschließlich aller dort gefassten Beschlüsse.
In der Praxis werden verkürzte Ladungen oft übersehen oder nicht dokumentiert – ein beliebter Fehler, der die Anfechtung zusätzlich stützt.
Praktische Hinweise für Hundehalter in der WEG
– Halten Sie Ihren Hund stets angeleint und unter Kontrolle im gemeinschaftlichen Bereich.
– Dokumentieren Sie die Einhaltung aller Regeln (Leinenpflicht, Maulkorb bei Bedarf, Rücksichtnahme).
– Kommunizieren Sie offen mit der Hausgemeinschaft und bieten Sie Kompromisse an.
– Lassen Sie sich bei juristischen Konflikten frühzeitig beraten.
– Reagieren Sie sofort auf eine Beschlussfassung, um keine Fristen zu versäumen.
Wer seine Rechte kennt und gleichzeitig Rücksicht auf die Mitbewohner nimmt, kann die Hundehaltung in der WEG erfolgreich durchsetzen – auch gegen Mehrheitswünsche anderer Eigentümer.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“