Strenge Regeln für sogenannte Listenhunde: Landesrecht setzt klare Grenzen
Die Haltung sogenannter Listenhunde ist in vielen Bundesländern – darunter Nordrhein-Westfalen – streng reglementiert. Zu diesen Hunden zählen nicht nur bestimmte Rassen wie Pitbull Terrier oder American Staffordshire Terrier, sondern auch deren Kreuzungen. Das Oberverwaltungsgericht hat nun in einem wegweisenden Urteil klargestellt, dass auch ein Mischling, bei dem deutlich der Phänotyp eines American Pitbull Terriers hervorsticht, als gefährlicher Hund eingestuft werden kann (Aktenzeichen: 5 A 438/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 18 K 7012/20). Für Hundehalter hat dieses Urteil erhebliche Konsequenzen.
Beurteilung nach äußeren Merkmalen: Der Phänotyp reicht aus
Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf eine sogenannte Rassebeurteilung anhand äußerer Merkmale – dem Phänotyp. Entscheidend war nicht etwa ein genetischer Nachweis der Abstammung, sondern vielmehr das Erscheinungsbild des Hundes. Dabei dürfen die Behörden auf anerkannte Rassestandards privater Zuchtverbände zurückgreifen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, die an diesen Maßstäben teilweise Zweifel hatte. Die neue Linie erlaubt es den Behörden nun, auch ohne DNA-Test auf eine Gefährlichkeit im Sinne des Gesetzes zu schließen, wenn das äußere Erscheinungsbild die entsprechende Vermutung rechtfertigt.
Keine Ausnahme: Persönliche Gründe der Halterin reichen nicht aus
Die Klägerin hatte sich gegen die Haltungsuntersagung mit dem Argument gewehrt, sie habe ein besonderes persönliches Interesse an ihrem Hund „Murphy“. Das reichte dem Gericht nicht aus. Die Richter machten deutlich, dass ein subjektiver Bezug zum Tier oder die bloße Tatsache, dass ein Tierheimaufenthalt für den Hund vermieden werden soll, kein ausreichendes öffentliches Interesse begründen kann. Damit unterstrich das Gericht die klare Linie des Gesetzgebers, der mit dem Hundegesetz präventiv auf abstrakte Gefährdungslagen reagieren will – unabhängig von konkreten Vorfällen im Einzelfall.
Praktische Probleme für betroffene Halter: Beweislast und unklare Abstammung
In der Praxis ergeben sich für Halter erhebliche Schwierigkeiten. Gerade bei Mischlingen ist die genaue Abstammung häufig unklar oder gar nicht mehr nachvollziehbar. Eine freiwillige DNA-Analyse wird von den Behörden meist nicht verlangt, da sie sich auf die phänotypische Einschätzung stützen können. Das bedeutet: Wer einen Hund hält, der äußerlich einem Listenhund ähnelt, läuft jederzeit Gefahr, mit einer behördlichen Einstufung als gefährlicher Hund konfrontiert zu werden – mit weitreichenden Folgen, darunter Leinen- und Maulkorbzwang, Halteverbot oder erhöhte Steuersätze.
Haltungsuntersagung: Juristisch angreifbar – aber selten erfolgreich
Zwar können Halter gegen eine behördliche Einstufung und ein Haltungsverbot vorgehen, doch sind die Erfolgsaussichten gering. Selbst wenn ein Hund bislang unauffällig war, genügt die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder der phänotypische Eindruck, um als gefährlich im Sinne des Gesetzes zu gelten. Hinzu kommt: Selbst wenn sich der Hund nachweislich gut verhält, sieht das Gesetz in der Regel keine Erleichterung der Auflagen oder gar eine Ausnahmegenehmigung vor – außer in seltenen Härtefällen.
Rechtsschutzmöglichkeiten: Anwaltliche Beratung unbedingt notwendig
Gegen Entscheidungen wie eine Haltungsuntersagung ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Da viele Verwaltungsgerichte zunächst Einzelfallermittlungen zur Rassezugehörigkeit durchführen, lohnt sich in frühen Verfahrensstadien häufig eine anwaltliche Intervention. Doch selbst bei abweichenden Einschätzungen durch Sachverständige bleibt es schwierig: Die Gerichte orientieren sich zunehmend an der strengeren Linie, wie sie das Oberverwaltungsgericht nun vorgegeben hat. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde im entschiedenen Fall nicht zugelassen – eine Beschwerde ist möglich, aber mit hohen Anforderungen verbunden.
Fazit: Haltung von Listenhund-Mischlingen bleibt riskant
Das Urteil zeigt deutlich: Die Haltung eines Hundes mit pitbullähnlichem Erscheinungsbild ist rechtlich riskant, auch wenn keine aggressiven Vorfälle vorliegen. Entscheidend ist allein, ob die Behörde den Hund – gestützt auf äußere Merkmale – als Kreuzung eines gefährlichen Hundes einstuft. Halter solcher Tiere sollten sich frühzeitig juristisch beraten lassen, insbesondere wenn sie ein Tier aus dem Ausland übernehmen oder die Herkunft nicht zweifelsfrei nachweisen können. Für die Behörden ist das Urteil ein Freibrief, auch künftig restriktiv gegen vermeintlich gefährliche Hunde vorzugehen – selbst dann, wenn deren Verhalten keinerlei Anlass zur Sorge gibt.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“