Über einen Tierschutzverein, der in Not geratene Pferde an neue Halter vermittelt, war die Mandantin auf ein Geschöpf aufmerksam geworden, das Hilfe wahrlich gut gebrauchen konnte: In sehr schlechtem Zustand stand das Pferd nebst weiteren Kollegen in einem Pensionsstall, verlassen von seinem Eigentümer und nur unwillig gepflegt vom Stallbetreiber, der sich über schon vierstellige Außenstände für die Verpflegung ärgerte. Weil der Kunde diese Rechnung nicht bezahlen wollte, nahm der Stallbetreiber nach eigener Auskunft sein Pfandrecht wahr, kassierte die Pferde ein und verkündete, ihr letzter Gang werde nun der zum Metzger sein. Eine Ankündigung, die bei Tierschützern regelmäßig zu hektischer Betriebsamkeit führt. Über Internet-Annoncen wurden neue Eigentümer für die Pferde gesucht und gefunden, darunter meine Mandantin – für 500 Euro übernahm sie durch Vermittlung der Tierschützer eine noch junge Stute aus dem Bestand. Aus einem knochigen Gerippe wurde dann in monatelanger Arbeit ein gesundes, fröhliches Pferd.
In einer idealen Welt wäre die Geschichte hier zu Ende. In der anderen Welt zerstört ein Anwaltsbrief die Idylle. Der vormalige Eigentümer, der sein Pferd unversorgt im Pensionsstall zurückließ, hat zwar bis heute kein Geld für die aufgelaufenen Rechnungen, aber eine Anwältin bekam er auch auf Staatskosten. Die bezichtigte meine Mandantin der Unterschlagung und forderte unter Drohung mit einer Klage die Herausgabe des Pferdes. Der Verkauf durch den Stallbetreiber sei rechtswidrig gewesen, das Eigentum damit nicht übergegangen, ihr Mandant daher noch immer einzig rechtmäßiger Eigentümer der Stute. Eine Rechnung für den Brief legte die Kollegin gleich bei und empfahl meiner Mandantin, sich die Herausgabe des Tieres nicht lange zu überlegen.
Ähnliche Schreiben erhielten auch andere Tierfreunde, die Pferde aus diesem Bestand übernommen hatten. Für sie alle stellte sich die Frage, ob die gute Tat nun einen Rattenschwanz an schlechten Folgen hinter sich herziehen würde. Das mühsam aufgebaute und ins Herz geschlossene Tier einfach wieder abgeben an jemanden, der es zuvor verkommen ließ? Einen möglicherweise teuren Zivilprozess riskieren? Im Fall der Niederlage den Verkäufer verklagen und erneut ins Risiko gehen?
Mandanten sind in solchen Fällen nicht um die Entscheidung zu beneiden. Wir Anwälte allerdings auch nicht, das sollte erwähnt werden. Denn die begehrte klare Auskunft zur Rechtslage lässt sich gerade in diesen Konstellationen häufig nicht erteilen. Von kleinen und kleinsten Details und am Ende auch von der persönlichen Einschätzung eines Richters wird abhängen, ob das aus Gründen des Tierschutzes gekaufte Pferd zurück muss oder nicht. Aber was genau macht die Frage so kompliziert?
Das deutsche Recht unterscheidet in Eigentümer und Besitzer. Dem Eigentümer „gehört“ eine Sache (beispielsweise ein Pferd), der Besitzer „hat“ sie. Im Normalfall ist der Eigentümer also auch der Besitzer. Eigentum kann nur der Eigentümer übertragen, und hier fangen die Probleme an. Denn nicht immer ist für den Käufer einer Sache offenkundig, ob der Verkäufer auch wirklich der Eigentümer ist. Der Gesetzgeber hat deshalb eine Ausnahme geschaffen, die dieser Situation Rechnung tragen soll: den „gutgläubigen Erwerb“. Diese Ausnahme legt fest, dass ein Käufer, der zu Recht darauf vertraut hat, dass der Verkäufer auch wirklich Eigentümer einer Sache war, tatsächlich das Eigentum an ihr erwerben kann.
Klingt einfach, steckt in der Praxis aber voller Probleme. Denn die Ausnahme setzt neben dem „guten Glauben“ auch voraus, dass die verkaufte Sache dem ursprünglichen (wirklichen) Eigentümer nicht „abhanden gekommen“ ist. Wurde sie gestohlen, unterschlagen oder sonstwie rechtswidrig aus dem Vermögen des Eigentümers entfernt, ist ein rechtmäßiger Erwerb nicht möglich.
Dieser Grundsatz sorgt dafür, dass Sie nicht einfach die Pferde Ihres Nachbarn rechtlich wirksam verkaufen können. Und: Er spricht dafür, beim Kauf eines Pferdes, sei es auch mit noch so guter Absicht, genau hinzuschauen, wer da wessen Pferd verkauft, und bei Unstimmigkeiten vorsichtig zu sein. Was Sie vor dem Verkauf an Recherche versäumen, können Sie später kaum noch nachholen.
Die Mandantin hat sich entschieden. Sie wird nun um ihr Pferd kämpfen. „Ich habe es gut gemeint und nun habe ich den Salat. Aber freiwillig gebe ich das Pferd nicht mehr her“, sagt sie am Telefon. Zum Glück für das Pferd kann sich die Frau einen Prozess gut leisten.
Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 04/2014 der Dressur-Studien, die Sie hier erwerben können.