: : Insolvenzanfechtung bei Geldauflagen: OLG Frankfurt schafft (vorläufig) Klarheit

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, dass auch von der Strafjustiz angeordnete Geldauflagen im Rahmen eines Strafverfahrens insolvenzrechtlich angefochten und zurückgefordert werden können. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen, da auch Zahlungen an gemeinnützige Organisationen betroffen sein können. Das Land, in dem die Geldauflage verhängt wurde, ist in diesen Fällen der richtige Anfechtungsgegner – unabhängig davon, ob die Zahlung direkt an das Land oder an Dritte erfolgt ist.

Ausgangslage: Geldauflage und Insolvenzverfahren

Im vorliegenden Fall wurde gegen einen Schuldner ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Marktmanipulation geführt. Das Landgericht Frankfurt am Main stellte das Verfahren im März 2021 gegen Zahlung einer Geldauflage von 100.000 Euro nach § 153a Abs. 2 StPO ein. Die Summe wurde aufgeteilt: Neben dem Land Hessen erhielten drei gemeinnützige Organisationen Zahlungen. Der Schuldner finanzierte diese Auflage durch Darlehen von Gesellschaften, die seiner Familie gehörten. Zwei Monate später wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, und der Insolvenzverwalter forderte die gezahlten Beträge zurück. Während die Klage in erster Instanz scheiterte, hatte die Berufung vor dem OLG Frankfurt Erfolg.

Insolvenzrechtliche Bewertung der Geldauflage

Der 4. Zivilsenat des OLG stellte fest, dass die Geldauflage insolvenzrechtlich anfechtbar ist. Wesentlich hierfür ist die rechtliche Beziehung zwischen dem Schuldner und der Strafjustiz des Landes: Die Zahlung der Geldauflage diente ausschließlich der Einstellung des Strafverfahrens. Damit sei das Land, und nicht die gemeinnützigen Einrichtungen, der richtige Adressat der Anfechtung.

Die Gleichstellung des Landes mit einem Insolvenzgläubiger erfolgt nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Geldauflagen nach § 153a StPO seien in ihrer Wirkung mit Geldstrafen oder Geldbußen vergleichbar, die ebenfalls in die nachrangige Gläubigerposition fallen. Das OLG betonte zudem, dass die Anfechtbarkeit auch dann gegeben sei, wenn der Zahlungsempfänger – wie hier das Land – keinen einklagbaren Anspruch auf die Zahlung hatte. Entscheidend sei allein, dass die Zahlung eine Bevorzugung einzelner Gläubiger darstelle.

Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt

Die Anfechtung nach § 131 InsO setzt voraus, dass die Zahlung innerhalb von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Beide Voraussetzungen waren im konkreten Fall erfüllt. Die Zahlung der Geldauflage erfolgte unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung, und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners war nachgewiesen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist wegweisend, da sie die insolvenzrechtliche Behandlung von Geldauflagen nach § 153a StPO konkretisiert. Insolvenzverwalter können nun Zahlungen, die zur Erfüllung von Geldauflagen geleistet wurden, anfechten und zurückfordern. Für gemeinnützige Organisationen und staatliche Stellen bedeutet dies, dass sie mit Rückforderungen rechnen müssen, wenn die Geldauflage aus dem Vermögen eines insolventen Schuldners bezahlt wurde.

Noch keine Rechtskraft

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das OLG die Revision zugelassen. Der Bundesgerichtshof wird somit möglicherweise Gelegenheit haben, die insolvenzrechtliche Anfechtung von Geldauflagen abschließend zu klären.

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