: : Jagd auf Wölfe: EU-Parlament senkt Schutzstatus – Rechtliche Folgen und Auswirkungen auf den Artenschutz

Schutzstatus des Wolfes durch das EU-Parlament herabgesetzt

Die Entscheidung des Europäischen Parlaments, den Schutzstatus des Wolfes durch eine Änderung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) herabzusetzen, wirft zahlreiche rechtliche Fragen und Bedenken im Bereich des Arten- und Tierschutzes auf. Konkret bedeutet diese Entscheidung, dass Wölfe zukünftig in größerem Umfang wieder bejagt werden dürfen – ein Schritt, der aus Sicht des Artenschutzes erhebliche Risiken birgt. Dieser Beitrag erläutert die juristischen Hintergründe der Entscheidung und ordnet ein, welche Konsequenzen daraus resultieren könnten.

Juristische Grundlage: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU

Die FFH-Richtlinie bildet seit ihrer Einführung im Jahr 1992 den rechtlichen Rahmen für den Schutz bedrohter Arten innerhalb der Europäischen Union. Zentraler Bestandteil dieser Richtlinie ist der strenge Schutz besonders gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer Lebensräume. Die darin gelisteten Arten, darunter bislang auch der Wolf, genießen grundsätzlich besonderen Schutz und dürfen nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen bejagt oder entnommen werden.

Die jetzt beschlossene Änderung führt zu einer Neueinstufung des Wolfes, wodurch Mitgliedstaaten der EU eine flexiblere Handhabe bei der Bejagung dieser Tiere erhalten. Allerdings bleibt es dabei, dass jede jagdliche Maßnahme in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Anforderungen der FFH-Richtlinie stehen muss: Jagd ist nur erlaubt, wenn es keine zufriedenstellende Alternativlösung gibt und der günstige Erhaltungszustand der Population nicht gefährdet wird.

Schutzstatusänderung: Folgen für die Wolfspopulation in Deutschland

In Deutschland war der Wolf über 150 Jahre lang als ausgerottet eingestuft. Erst seit wenigen Jahrzehnten breiten sich Wölfe wieder aus und bilden aktuell etwa 200 Wolfsrudel. Trotz dieser positiven Entwicklung stufen Fachleute den Zustand der Wolfspopulation weiterhin als ungünstig ein, da der genetische Austausch zwischen den einzelnen Populationen noch zu gering ist und das Risiko besteht, dass isolierte Gruppen genetisch verarmen.

Eine Herabsetzung des Schutzstatus könnte daher aus rechtlicher Sicht problematisch sein, weil sie die Rückkehr zu stabilen, langfristig überlebensfähigen Populationen gefährden könnte. Denn ob der „günstige Erhaltungszustand“ tatsächlich schon erreicht ist, ist wissenschaftlich umstritten und müsste nachgewiesen sein, um den Schutzstatus rechtskonform abzusenken.

Fehlinterpretationen und Mythen rund um die Wolfsjagd

Die öffentliche Diskussion zur Wolfsjagd ist häufig von Missverständnissen geprägt. Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass eine intensivere Bejagung von Wölfen automatisch zu weniger Übergriffen auf Weidetiere führt. Rechtlich und ökologisch betrachtet ist das allerdings nicht gesichert. Studien belegen vielmehr, dass sich Wolfsrudel durch den Abschuss einzelner Tiere aufspalten können, wodurch sogar mehr Wölfe in neue Gebiete abwandern und Konflikte zunehmen könnten.

Eine zweite häufig verbreitete Fehlannahme ist die Behauptung, Wölfe stellten eine generelle Gefahr für den Menschen dar. Juristisch betrachtet rechtfertigen einzelne Begegnungen zwischen Wolf und Mensch keinesfalls eine generelle Absenkung des Schutzstatus. Nur bei konkreter Gefährdungssituation und nachweislich fehlenden Alternativen sind Eingriffe erlaubt.

Alternative Schutzmaßnahmen: Rechtliche Pflichten zur Umsetzung des Herdenschutzes

Aus rechtlicher Perspektive spielen Herdenschutzmaßnahmen eine zentrale Rolle. Die Bejagung des Wolfes darf gemäß der FFH-Richtlinie nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn andere zumutbare Alternativen erschöpft sind. Dazu gehören insbesondere ausreichende Herdenschutzmaßnahmen, die vielerorts nachweislich unzureichend umgesetzt wurden.

Juristisch ist klar: Vor jeglichem Abschuss müsste nachgewiesen sein, dass sämtliche zumutbaren und effektiven Alternativen ausgeschöpft wurden. Nur in diesem Fall können Behörden rechtmäßig eine Jagderlaubnis erteilen. Daraus ergibt sich eine deutliche Verpflichtung für die Mitgliedstaaten und die Bundesregierung, den Herdenschutz intensiv zu fördern und sicherzustellen, dass dieser auch praktisch umgesetzt wird.

Gefahren für weitere geschützte Arten durch rechtliche Präzedenzwirkung

Ein besonderes juristisches Risiko besteht darin, dass die jetzige Entscheidung des EU-Parlaments eine Präzedenzwirkung entfaltet. Die Herabstufung des Wolfes könnte einen Rechtsrahmen schaffen, der künftig die Herabsetzung des Schutzstatus weiterer geschützter Arten erleichtert – etwa von Bären, Luchsen oder Kegelrobben. Diese Entwicklung könnte letztlich zu einer gefährlichen Aushöhlung der FFH-Richtlinie und des europäischen Naturschutzrechts insgesamt führen.

Hier müssen Umweltverbände, Rechtsanwälte und Wissenschaftler wachsam bleiben, um gegen eine mögliche politische Aushöhlung der bestehenden Schutzmechanismen rechtlich wirksam vorzugehen.

Fazit: Rechtliche Klarheit bei Entscheidungen über Wolfsjagd unabdingbar

Zusammenfassend gilt: Obwohl das EU-Parlament den rechtlichen Rahmen für die Jagd auf Wölfe gelockert hat, bleiben zahlreiche juristische Schranken und Voraussetzungen bestehen. Jeder Abschuss muss weiterhin rechtlich sorgfältig geprüft und begründet werden. Herdenschutzmaßnahmen müssen vorrangig und konsequent umgesetzt werden.

Ob sich die Änderung langfristig als umweltrechtlich tragbar und vertretbar erweist, hängt entscheidend davon ab, wie gründlich die nationalen Behörden diese juristischen Anforderungen beachten und durchsetzen werden. Klar ist, dass eine politisch motivierte Lockerung des Artenschutzes den langfristigen Zielen der FFH-Richtlinie entgegensteht – und im Zweifelsfall durch nationale Gerichte und den Europäischen Gerichtshof überprüft werden wird.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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