Initiative am ersten Sitzungstag: Antrag auf Novelle des Tierschutzgesetzes
Am ersten Sitzungstag des neu konstituierten Bundestags hat die Fraktion Die Linke einen Antrag auf eine grundlegende Reform des Tierschutzgesetzes eingebracht. Der Antrag zielt auf eine breite inhaltliche Neuausrichtung des Gesetzes ab – unter anderem mit strengeren Anforderungen an die Tierhaltung, verbesserten Kontrollmechanismen und einer klaren Abkehr von wirtschaftlichen Ausnahmeregelungen im Tierschutz.
Der Zeitpunkt ist politisch bedeutsam: Die letzte geplante Novellierung des Tierschutzgesetzes war an den Differenzen innerhalb der früheren Ampelkoalition gescheitert. Die neue Bundesregierung hat sich bislang nicht zu einem eigenen Zeitplan für eine Überarbeitung geäußert.
Zentraler Punkt: Ende der Sonderregelung für Nutztierhalter
Ein wesentlicher Bestandteil des Antrags ist die Forderung, die Ausnahme von der Erlaubnispflicht für die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere zu streichen. Nach geltendem Recht sind gewerbliche Tierhaltungen – etwa von Hunden, Katzen oder exotischen Tieren – grundsätzlich erlaubnispflichtig. Für landwirtschaftliche Nutztiere hingegen besteht bislang eine Ausnahme, sofern die Haltung dem Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung dient.
Diese Unterscheidung steht seit Jahren in der Kritik: Sie führe dazu, dass gerade große Tierhaltungsbetriebe nur eingeschränkt tierschutzrechtlich überprüft würden. Die Linke fordert daher eine Gleichbehandlung sämtlicher Tierhaltungen im Hinblick auf die Erlaubnispflicht – ein Schritt, der tiefgreifende Veränderungen für landwirtschaftliche Betriebe mit sich bringen könnte.
Auch das Amt der Bundestierschutzbeauftragten im Fokus
Neben konkreten Änderungen im Tierschutzrecht fordert der Antrag auch strukturelle Neuerungen. So soll das Amt einer unabhängigen Bundestierschutzbeauftragten mit klar definierten Befugnissen beim Bundeskanzleramt angesiedelt und gesetzlich verankert werden.
Hintergrund ist der auslaufende Arbeitsvertrag der bisherigen Amtsinhaberin Ende Mai. Eine Verlängerung oder Neubesetzung ist bisher nicht erkennbar vorbereitet worden. In Tierschutzkreisen sorgt das für Unruhe: Das Amt sei in den letzten Jahren zu einer wichtigen Stimme für die Belange des Tierschutzes geworden, seine ersatzlose Streichung würde als Rückschritt gewertet.
Weitere Forderungen: Qualzuchtverbot, Videoüberwachung, Verbandsklagerecht
Der Antrag umfasst eine Vielzahl weiterer Maßnahmen. Unter anderem sollen sogenannte Qualzuchten durch eine klar definierte Symptomliste verboten, Akkordarbeit in Schlachthöfen untersagt und eine verpflichtende Videoüberwachung in sämtlichen Schlachtbetrieben eingeführt werden – auch in kleinen und auf die Verarbeitung von Pferden spezialisierten Betrieben.
Darüber hinaus sollen Lebendtiertransporte in Tierschutz-Hochrisikostaaten ebenso verboten werden wie Tierversuche mit hohem Belastungsgrad. Tierschutzorganisationen sollen ein bundesweites Verbandsklagerecht erhalten, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sollen härter sanktioniert werden.
Unklar bleibt die Haltung der neuen Regierung
Wie die neue Regierungskoalition auf den Antrag reagieren wird, ist offen. Ein eigener Gesetzentwurf wurde bislang nicht angekündigt. Mit dem Vorstoß der Linken liegt nun jedoch ein umfassender Reformvorschlag vor, der viele offene Baustellen im Tierschutzrecht adressiert – und eine Debatte über die künftige Ausrichtung der Tierschutzpolitik im Bundestag anstoßen dürfte.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.