: : Online-Coaching für Kryptowährungen: Anbieter muss Gebühren zurückzahlen

Das Urteil des Landgerichts München I verdeutlicht eindrucksvoll die weitreichenden Schutzmechanismen des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) und deren Bedeutung im digitalen Zeitalter, insbesondere bei der zunehmenden Verbreitung von Online-Bildungsangeboten. Der Fall zeigt, wie das Gesetz gerade in sensiblen Bereichen wie Finanzbildung und Kryptowährungen greift, um Teilnehmer:innen vor unseriösen Anbietern zu schützen.

Hintergrund des Falls
Die Klägerin, eine bei Vertragsschluss erwerbslose Frau, hatte mit der beklagten Plattformbetreiberin einen Vertrag über ein Online-Coaching zu Kryptowährungen abgeschlossen. Der Anbieter warb damit, Teilnehmer:innen in die Welt der Kryptowährungen einzuführen und versprach offenbar eine schnelle Qualifikation als „Krypto-Expert:in“. Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend – besonders angesichts der teils spektakulären Kursentwicklungen von Bitcoin und Co. –, entpuppte sich jedoch im Nachhinein als problematisch, da der Anbieter weder über die notwendige Zulassung verfügte noch den strengen Informationspflichten des FernUSG nachkam.

Die Klägerin fühlte sich durch die Werbemaßnahmen der Plattform, insbesondere über soziale Medien, sowie durch die Online-Beratung des Coaches überrumpelt. Der Coach trat als angeblicher Finanzexperte auf, was die Seriosität des Angebots untermauern sollte. Als die Klägerin den Vertrag später rückgängig machen wollte, argumentierte sie, sie sei nicht ausreichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden und habe sich aufgrund ihrer finanziellen Lage und der aggressiven Werbung in eine schwierige Lage manövriert gefühlt.

Argumentation der Beklagten
Die Plattformbetreiberin hielt dem entgegen, dass die Klägerin den Vertrag als Existenzgründerin abgeschlossen habe und daher nicht als Verbraucherin anzusehen sei. Außerdem habe die Klägerin beim Abschluss aktiv auf ihr Widerrufsrecht verzichtet, weshalb ein Rücktritt vom Vertrag nicht möglich sei. Zudem stellte die Beklagte in Abrede, dass das FernUSG überhaupt auf den Vertrag anwendbar sei.

Entscheidung des Gerichts
Die 44. Zivilkammer des LG München I wies diese Argumente zurück und gab der Klage der Frau weitgehend statt. Sie begründete ihre Entscheidung mit mehreren zentralen Punkten:

1. **Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 7 I FernUSG**
Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte gegen die Vorgaben des FernUSG verstoßen habe, da der Fernunterricht ohne die erforderliche staatliche Zulassung angeboten wurde. Verträge, die unter diesen Bedingungen geschlossen werden, sind laut § 7 I FernUSG nichtig. Die gesetzliche Regelung zielt darauf ab, Anbieter:innen ohne staatliche Prüfung vom Markt fernzuhalten, da Kund:innen bei Fernunterricht keine Möglichkeit haben, sich persönlich von der Qualität der Bildungsmaßnahme zu überzeugen.

2. Schutz von Unternehmer:innen unter dem FernUSG
Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht den Schutz des FernUSG auch auf Personen ausdehnt, die als Unternehmer:innen oder Existenzgründer:innen auftreten. Die Richter:innen argumentierten, dass auch solche Personen, insbesondere in schwierigen wirtschaftlichen Situationen, schutzwürdig seien. Selbst wenn die Klägerin den Vertrag in der Absicht abgeschlossen hätte, sich eine selbstständige Existenz im Bereich E-Commerce aufzubauen, sei sie dennoch nicht weniger schutzbedürftig als Verbraucher:innen.

3. Unzureichende Belehrung über das Widerrufsrecht
Das Gericht stellte zudem fest, dass die Klägerin wahrscheinlich nicht ausreichend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die aktive Erklärung eines Verzichts auf das Widerrufsrecht sei unter diesen Umständen unwirksam.

4. Kein immaterieller Schadensersatz
Die Klägerin hatte zusätzlich einen immateriellen Schadensersatz geltend gemacht, da sie sich durch die angebliche Preisgabe persönlicher Daten beim Vertragsabschluss in ihren Rechten verletzt fühlte. Diesen Anspruch wies das Gericht jedoch ab, da es hierfür keine ausreichenden Beweise sah.

Relevanz des Urteils
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des FernUSG als zentrales Verbraucherschutzinstrument im Bereich des Fernunterrichts, insbesondere bei digitalen Bildungsangeboten. Es zeigt, dass die Schutzmechanismen des Gesetzes nicht nur Verbraucher:innen im klassischen Sinne, sondern auch wirtschaftlich schwache Unternehmer:innen zugutekommen können. Die Entscheidung ist zudem ein Warnsignal an Anbieter:innen, die versuchen, ohne staatliche Zulassung lukrative Geschäftsfelder zu erschließen. Die Anforderungen des FernUSG sind keineswegs optional, und Verstöße können schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Fazit
Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie Verbraucherschutz in der digitalen Welt funktioniert und welche Fallstricke es für Anbieter:innen gibt, die gesetzliche Regelungen missachten. Besonders in einem Bereich wie Kryptowährungen, der aufgrund seiner Komplexität und des spekulativen Charakters ohnehin eine hohe Risikobereitschaft erfordert, ist die strenge Regulierung durch das FernUSG ein unverzichtbares Instrument. Das Urteil könnte auch in der Zukunft eine Signalwirkung entfalten und ähnliche Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob die Beklagte Berufung einlegt und wie ein mögliches Berufungsgericht die Rechtslage bewertet.

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