Rechtliche Einordnung des Pferdeführens vom Fahrrad
Das Führen eines Pferdes vom Fahrrad aus ist in Deutschland rechtlich nicht explizit verboten, aber mit erheblichen Risiken und rechtlichen Grauzonen verbunden. Maßgeblich ist hier zunächst die Straßenverkehrsordnung (StVO), insbesondere § 28 Absatz 1 Satz 3: „Wer ein Tier führt, muss dafür sorgen, dass dadurch der Verkehr nicht gefährdet wird.“ Auch § 1 StVO, der die Grundregeln des Straßenverkehrs regelt, verpflichtet alle Verkehrsteilnehmer zu gegenseitiger Rücksichtnahme und zur Vermeidung von Gefährdungen.
Ein Reiter wird gemäß § 28 Absatz 2 StVO wie ein Fahrzeugführer behandelt. Führt man ein Pferd jedoch nicht im Sattel, sondern vom Fahrrad aus, stellt sich die Frage, ob man dann gleichzeitig Führer eines Tieres und Fahrer eines Fahrzeugs ist – mit den damit verbundenen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Kontrolle und Verkehrssicherheit. Die Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich, Tendenz jedoch eher restriktiv: Ein Fahrradfahrer, der ein Pferd führt, ist in vielen Situationen schlicht nicht mehr ausreichend in der Lage, beiden Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden.
Haftungsrechtliche Risiken bei Unfällen
Kommt es zu einem Unfall, etwa weil das Pferd scheut oder sich losreißt, stellt sich sofort die Frage der Haftung. Führt man das Pferd zu Fuß, haftet man in der Regel nur dann vollumfänglich, wenn man grob fahrlässig gehandelt hat. Anders kann es sein, wenn man das Tier vom Fahrrad aus führt: Hier könnte ein Mitverschulden oder sogar eine überwiegende Haftung des Tierführers angenommen werden, weil diese Art der Führung als objektiv risikoreicher gilt.
Selbst wenn das Pferd ruhig und gut trainiert ist, genügt im Straßenverkehr ein unvorhergesehenes Ereignis – ein plötzlich auftauchendes Auto, ein bellender Hund, ein flatterndes Tuch – und die Situation gerät außer Kontrolle. In einem solchen Moment gleichzeitig ein Fahrrad zu stabilisieren, das Tier festzuhalten und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden, ist kaum zu gewährleisten.
Versicherungsrechtliche Folgen
Viele Pferdehalter verlassen sich auf ihre Tierhalterhaftpflichtversicherung – zu Recht, denn diese ist in Deutschland für Pferde nicht nur dringend zu empfehlen, sondern praktisch unerlässlich. Allerdings enthalten viele Versicherungsbedingungen Einschränkungen oder Ausschlüsse, was die sogenannte „Fremdverwendung“ betrifft. Das Führen eines Pferdes vom Fahrrad aus könnte unter Umständen als ungewöhnlicher Gebrauch gelten und im Schadensfall zur Leistungsablehnung führen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auch die private Unfallversicherung, die Kfz-Haftpflichtversicherung (falls ein Unfall mit einem Auto erfolgt) oder andere Versicherungen in Leistung treten. In jedem Fall ist zu prüfen, ob das eigene Verhalten den Versicherungsbedingungen entspricht – und ob die Police überhaupt Szenarien wie das gleichzeitige Fahren und Führen eines Tieres abdeckt.
Erhöhte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
Ein besonders heikler Punkt ist die Gefährdung unbeteiligter Dritter. Ein scheuendes Pferd, das sich vom Fahrradführenden losreißt, kann andere Radfahrer, Fußgänger oder Autofahrer erheblich gefährden. Da Pferde groß, schwer und unberechenbar sind, besteht ein erhebliches Schadenspotenzial – sowohl in Bezug auf Sach- als auch Personenschäden.
Dabei spielt auch § 1 Abs. 2 StVO eine Rolle: „Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Das bedeutet: Selbst wenn das Pferd gut erzogen ist, kann das Führen vom Fahrrad aus als unzulässiges Risiko gewertet werden, wenn Dritte dadurch gefährdet werden.
Kommunale Regelungen und ortsrechtliche Verbote
In vielen Kommunen gibt es zusätzliche Satzungen oder Verordnungen, die die Nutzung von Rad- und Feldwegen regeln. Es ist daher möglich, dass das Führen eines Pferdes vom Fahrrad aus auf bestimmten Wegen untersagt ist – sei es aus Gründen des Naturschutzes, zur Unfallvermeidung oder wegen der landwirtschaftlichen Nutzung. Ein Verstoß gegen solche Regelungen kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Darüber hinaus sind auch die sogenannten Reitwegegebote relevant. In manchen Bundesländern dürfen Pferde bestimmte Wege nur nutzen, wenn sie explizit als Reitwege ausgeschildert sind. Führt man das Pferd – ob zu Fuß oder vom Fahrrad – auf einem unzulässigen Weg, kann auch dies eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Fazit: Risikoüberwiegung spricht gegen das Pferdeführen vom Fahrrad
So reizvoll und zeitsparend es erscheinen mag: Das Führen eines Pferdes vom Fahrrad aus ist rechtlich problematisch und haftungsrechtlich riskant. Die sicherste und rechtlich unbedenklichste Art, ein Pferd zu führen, bleibt zu Fuß – mit voller Kontrolle über das Tier und die Umgebung.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“