Gesetzliche Grundlagen der Pferdehaltung: Zwischen Verantwortung und Verboten
Die Haltung von Pferden ist in Deutschland durch das Tierschutzgesetz und die Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft geregelt. Während die Nutzung von Pferden für Sport und Freizeit zulässig ist, dürfen dabei keine Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen. Untersagt ist unter anderem die Überforderung eines Pferdes, die Anwendung von Dopingmitteln im Wettbewerb oder tierschutzwidrige Ausbildungspraktiken. Die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf steht im Zentrum aller rechtlichen Regelungen.
Die Leitlinien als Maßstab für artgerechten Umgang mit Pferden
Die BMEL-Leitlinien konkretisieren die Anforderungen an eine tiergerechte Ausbildung und Nutzung von Pferden. Im Fokus steht das Verhalten des Pferdes als Ausdruck seines körperlichen und psychischen Zustands. Wer Pferde hält oder ausbildet – ob als Reitlehrer, Trainer, Tierarzt oder Hufschmied – muss über fundiertes Wissen in Anatomie, Ethologie und Trainingslehre verfügen. Besonders betont wird der Grundsatz, dass Hilfen so gegeben werden müssen, dass sie vom Pferd verstanden werden, ohne Schmerzen zu verursachen.
Grundprinzipien: Bewegung, Sozialkontakt und Schutz vor Überforderung
Pferde sind Lauf- und Herdentiere. In freier Natur bewegen sie sich täglich viele Stunden in sozialen Verbänden. Daraus ergibt sich die Pflicht zur täglichen Bewegung auch unter Haltungsbedingungen. Ebenso sind Isolation und Einzelhaltung tierschutzwidrig. Wer Pferde isoliert hält, riskiert nicht nur Verhaltensstörungen, sondern auch juristische Konsequenzen. Darüber hinaus muss der Halter sicherstellen, dass körperliche und psychische Anforderungen dem Alter, Entwicklungsstand und Gesundheitszustand des Tieres angepasst sind.
Ausbildung: Langsam, systematisch und belohnungsorientiert
Eine pferdegerechte Ausbildung setzt auf kleine Lernschritte und positive Verstärkung. Das Pferd soll verstehen, was von ihm verlangt wird. Belohnungen – ob verbal, durch Streicheln oder kleine Futtergaben – stärken das Vertrauen. Wiederholte Strafen oder das Durchsetzen von Lektionen mit Gewalt sind nicht nur ineffektiv, sondern rechtlich problematisch. Wer ein Tier in der Ausbildung überfordert oder Schmerzen zufügt, kann sich schnell in einem Straf- oder Bußgeldverfahren wiederfinden.
Hilfen nur bei korrekter und tiergerechter Anwendung zulässig
Hilfen wie Zügel, Gerte, Stimme oder Gewichtsverlagerung sind legitime Kommunikationsmittel – aber nur dann, wenn sie korrekt eingesetzt werden. Ihre Intensität darf sich nur im Rahmen des innerartlichen Sozialverhaltens bewegen. Schmerzhafte Einwirkungen oder aggressive Durchsetzung von Signalen sind unzulässig. Verstöße können zur Anzeige führen, gerade wenn sie durch Dritte dokumentiert oder öffentlich bekannt werden.
Rolle des Menschen: Wissen, Einfühlungsvermögen und Konsequenz
Der Mensch wird vom Pferd als Partner wahrgenommen – im besten Fall als verlässlicher, souveräner Ranghöherer. Diese Position wird jedoch nicht durch Gewalt, sondern durch Kompetenz, Klarheit und Empathie erreicht. Wer sich dem Pferd gegenüber widersprüchlich oder unsicher verhält, provoziert Widerstand oder Unsicherheit. Fehler des Pferdes sind oft ein Spiegel unklarer Hilfen oder unangemessener Anforderungen. Auch gesundheitliche Ursachen müssen stets mitgedacht werden.
Trainingseinheiten dem Pferd anpassen – und nicht umgekehrt
Insbesondere im Sport- und Freizeitbereich wird oft vergessen, dass nicht jede Disziplin oder Übung mit jedem Pferd möglich ist. Die Leitlinien verlangen einen systematischen Trainingsaufbau, der Alter, Tagesform und körperliche Voraussetzungen berücksichtigt. Frühere Überforderung, Schmerzen oder negative Erfahrungen können die Ausbildung dauerhaft beeinträchtigen. Eine gute Ausbildung ist nie schneller als die gesunde Entwicklung des Pferdes.
Gestaltung des Haltungsumfeldes ist Teil der Sorgfaltspflicht
Neben Ausbildung und Nutzung spielt auch das Umfeld eine zentrale Rolle. Ställe, Ausläufe und Koppeln müssen so gestaltet sein, dass sie Sicherheit, Bewegungsfreiheit und soziale Interaktion ermöglichen. Eine falsche Infrastruktur kann zu Verletzungen oder Verhaltensproblemen führen. Auch hier gilt: Halter und Betreiber von Pferdebetrieben stehen in der Pflicht, tierschutzkonforme Bedingungen zu schaffen.
Rechtlicher Rahmen bietet zugleich Schutz und Verpflichtung
Die rechtlichen Leitplanken im Pferderecht sind eindeutig: Wer Pferde hält, ausbildet oder nutzt, muss sich an die Regeln des Tierschutzes halten. Bei Verstößen drohen Bußgelder, tierschutzrechtliche Anordnungen oder auch strafrechtliche Konsequenzen. Gleichzeitig bieten die Leitlinien Orientierung für rechtssicheres Verhalten – und können im Streitfall als Maßstab für Sorgfalt oder Pflichtverletzung herangezogen werden.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“