Rechtsnatur des Pflegestellenvertrags im Tierschutz
Die rechtliche Einordnung eines Pflegestellenvertrags (kurz: PS-Vertrag) im Tierschutz ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. In der Praxis handelt es sich häufig um ein sogenanntes „Gefälligkeitsverhältnis mit vertraglichem Charakter“, das Elemente aus Leihvertrag, Verwahrungsvertrag oder Auftrag enthalten kann. Entscheidend ist, welche konkreten Absprachen zwischen Pflegestelle und Tierschutzorganisation getroffen wurden. In vielen Fällen wird der Hund als Eigentum der Organisation vorübergehend zur Pflege überlassen, wobei die PS keine eigenen Verfügungsrechte über das Tier erhält.
Ein wirksamer Vertrag kann sowohl mündlich als auch schriftlich geschlossen werden. Allerdings ist für klare Rechte und Pflichten eine schriftliche Vereinbarung dringend zu empfehlen. Darin sollte nicht nur geregelt sein, wie lange die Pflege dauern soll, sondern auch, welche Seite unter welchen Umständen kündigen kann, wer für Kosten aufkommt und was bei Nichtvermittlung passiert.
Kündigungsmöglichkeiten der Pflegestelle
Pflegestellen können nicht dauerhaft an ein unbefristetes Pflegemodell gebunden werden, wenn dies für sie unzumutbar ist. Auch bei Verträgen mit fixer Laufzeit kann es gute Gründe geben, die Pflege vorzeitig zu beenden. Entscheidend ist, ob eine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vereinbart wurde – was in der Praxis oft der Fall ist – oder ob sich eine solche aus allgemeinen rechtlichen Grundsätzen ergibt.
Handelt es sich zivilrechtlich um einen Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB), besteht ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß § 695 Satz 1 BGB. Demnach kann die Verwahrerin (die Pflegestelle) jederzeit kündigen, sofern der Vertrag nicht befristet ist. Bei Befristung ist eine ordentliche Kündigung nur möglich, wenn diese ausdrücklich im Vertrag zugelassen wurde. Alternativ kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist.
Ein Beispiel für Unzumutbarkeit wäre die psychische oder physische Überlastung der Pflegeperson, eine Änderung der Lebenssituation oder auch das Ausbleiben von Unterstützungsleistungen des Vereins. Dann greift das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB (bei einem Auftragsverhältnis) oder § 626 BGB (bei Dienstverträgen).
Verantwortung nach erfolgter Kündigung
Wird der Vertrag ordentlich oder außerordentlich gekündigt, stellt sich die Frage, wer das Tier anschließend unterbringt. Grundsätzlich ist die Tierschutzorganisation als Eigentümerin für die tierschutzgerechte Unterbringung verantwortlich. Die Pflegestelle muss das Tier nicht länger halten, wenn der Vertrag beendet ist – allerdings darf die Hündin auch nicht einfach auf die Straße gesetzt werden.
In der Übergangszeit nach der Kündigung sollte die Pflegestelle dem Verein eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer das Tier übernommen oder anderweitig untergebracht werden muss. Sollte der Verein untätig bleiben, kann die Pflegestelle eine tiergerechte Fremdunterbringung – etwa in einer Tierpension – auf Kosten des Vereins veranlassen. Die Kosten müssen aber naturgemäß zunächst ausgelegt werden, denn wer die Unterbringung beauftragt, steht gegenüber der Einrichtung auch in der Pflicht.
Dabei sollte stets dokumentiert werden, dass der Verein über das bevorstehende Ende der Pflege informiert wurde und keine Maßnahmen ergriffen hat. Nur dann besteht ein Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten. Die Rechtsprechung fordert, dass das Handeln der Pflegestelle im wohlverstandenen Interesse des Tierhalters – hier des Vereins – lag und notwendig war.
Erstattung von Pflege- und Unterbringungskosten
Kommt der Verein seiner Pflicht zur Rücknahme des Tieres nicht rechtzeitig nach, kann die Pflegestelle Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Dies betrifft vor allem Kosten für eine Tierpension, aber auch Futter, medizinische Versorgung und Transport. Maßgeblich ist hier § 670 BGB, der dem Beauftragten (Pflegestelle) einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Auftraggeber (Verein) gewährt.
Dieser Anspruch greift nur, wenn die Ausgaben erforderlich waren und in Erwartung einer Erstattung getätigt wurden. Auch hier ist sorgfältige Dokumentation wichtig: Angebote, Rechnungen, Zahlungsnachweise und die schriftliche Kommunikation mit dem Verein sollten archiviert werden. Der Pflegestelle ist jedoch kein „freies Wahlrecht“ bei der Kostenhöhe eingeräumt – es muss eine angemessene, ortsübliche und notwendige Versorgung gewählt werden.
Grenzen der Pflichten: Keine Verpflichtung zur Selbstausbeutung
Weder aus rechtlichen noch aus moralischen Gründen ist die Pflegestelle verpflichtet, das Tier über die vereinbarte Dauer hinaus in ihrer Wohnung zu behalten, wenn die Pflege unzumutbar wird oder der Vertrag endet. Zwar ist zu vermeiden, dass das Tier ins Tierheim muss oder gefährdet wird – die Verantwortung dafür liegt aber in letzter Linie beim Verein.
Sollte der Verein trotz Mahnungen untätig bleiben und keine Rücknahme oder alternative Unterbringung veranlassen, kann eine einstweilige Verfügung auf Rücknahme des Tieres in Betracht kommen. Das setzt allerdings voraus, dass konkrete Nachweise über die Dringlichkeit und die erfolglose Kommunikation mit dem Verein vorliegen.
Empfehlungen für die Praxis
Pflegestellen sollten darauf achten, sich nicht in ein unbefristetes Abhängigkeitsverhältnis zu begeben. Empfehlenswert ist, bereits bei Übernahme des Tieres ein fixes Enddatum schriftlich festzuhalten und dies auch regelmäßig mit dem Verein zu kommunizieren. Sollte sich abzeichnen, dass das Tier bis dahin nicht vermittelt ist, sollte der Verein frühzeitig aufgefordert werden, andere Lösungen zu finden.
Kommt es zur Kündigung, ist ein klarer Ablaufplan sinnvoll: schriftliche Mitteilung der Kündigung mit Fristsetzung, Aufforderung zur Rücknahme, Ankündigung eventuell nötiger Fremdunterbringung, Angebot zur Übergabe des Tieres. Im Zweifel kann anwaltliche Unterstützung helfen, die eigenen Rechte effektiv durchzusetzen.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“