: : Rassehunde-Ausstellung verlässt Erfurt – was dahinter steckt

Dass die Nationale und Internationale Rassehunde-Ausstellung nicht wie geplant Anfang Mai in Erfurt stattfindet, sondern kurzfristig nach Sondershausen verlegt wurde, hat Wellen geschlagen. Auslöser war ein Maßnahmenpaket des Erfurter Veterinäramts, das strengere Anforderungen an teilnehmende Hunde und ihre Halter stellte – darunter medizinische Untersuchungen, Gesundheitszeugnisse und eine stark begrenzte Teilnehmerzahl. Der Veranstalter sprach daraufhin von einer wirtschaftlich nicht mehr tragbaren Situation und zog die Reißleine.

Tatsächlich handelt es sich hier um einen bemerkenswerten Fall: Der zuständige Amtsveterinär Dr. Ulrich Kreis setzte als einer der ersten in Deutschland die gesetzlichen Vorgaben zum Verbot von Qualzuchten in der Praxis so strikt um, dass sie für die Veranstalter kaum noch tragbar waren. In einem Interview mit dem MDR bestätigte Kreis, dass sich die verschärften Leitlinien auf ein gemeinsames Papier der Bundesländer stützten, das mittlerweile wieder zurückgezogen worden sei. Trotzdem hielt er an den verschärften Maßstäben fest, insbesondere was sogenannte Qualzuchten betrifft – etwa Hunde mit platten Nasen, fehlenden Schwänzen oder überlangen Schlappohren.

Der vollständige MDR-Beitrag ist hier abrufbar:
MDR-Bericht zur Verlegung der Rassehunde-Ausstellung

Von der Verwaltung in die Öffentlichkeit: Tierwohl als politisches Minenfeld

Dr. Kreis war mit seinen Maßnahmen nicht nur Vorreiter, sondern auch Zielscheibe. Auf den Behördentagen der Tierrechtsakademie berichtete er bereits vor zwei Jahren eindrucksvoll von den Herausforderungen, die mit der konsequenten Umsetzung des Qualzuchtverbots verbunden sind. Sein Vortrag zeigte, wie schwierig die Abgrenzung zwischen züchterischer Freiheit, wirtschaftlichem Interesse und tierschutzrechtlichen Grenzen in der Praxis ist.

Was ihm viel Lob aus tierschutznahen Fachkreisen einbrachte, stieß bei Zuchtverbänden auf scharfe Ablehnung. Der aktuelle Fall unterstreicht die Sprengkraft des Themas. Die Entscheidung, die Ausstellung nach Sondershausen zu verlegen, erscheint dabei nicht nur als pragmatische Notlösung, sondern auch als Versuch, politischen Druck auf die Stadt Erfurt auszuüben. Wenn ein Verband erklärt, erst dann wiederzukehren, „wenn sich die Auflagen durch das Veterinäramt ändern“, ist das ein klarer Fingerzeig in Richtung Stadtverwaltung – mit dem Ziel, den unliebsamen Amtsveterinär zurückzupfeifen.

Erpressung durch Standortverlagerung? Wirtschaftlicher Hebel gegen Tierschutz

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Umzugs sind erheblich – für die Messe Erfurt, für Hotels, Gastronomie und den städtischen Haushalt. Veranstaltungen dieser Größenordnung generieren Umsatz im sechsstelligen Bereich. Wenn die Ausstellung dauerhaft aus Erfurt verschwindet, ist das ein Verlust für die Region.

Doch genau das scheint Teil der Strategie zu sein: Der wirtschaftliche Schaden soll politischen Druck erzeugen. Es ist nicht das erste Mal, dass Branchen mit wirtschaftlichem Einfluss versuchen, Verwaltungshandeln in ihrem Sinne zu beeinflussen. Doch im vorliegenden Fall betrifft das einen besonders sensiblen Bereich – den Vollzug tierschutzrechtlicher Vorschriften. Hier darf eine Behörde nicht einknicken, nur weil ein Veranstalter den Standort wechselt.

Neue Bühne, neue Maßstäbe? Das Augenmerk liegt nun auf dem Kyffhäuserkreis

Die Ausstellung soll nun Mitte Juni auf dem Possen bei Sondershausen stattfinden. Rund 1.000 Hunde sind bereits angemeldet – deutlich mehr als unter den Erfurter Auflagen erlaubt gewesen wären. Spannend wird sein, ob und wie das Veterinäramt des Kyffhäuserkreises dort seiner Kontrollpflicht nachkommt.

Nach aktuellem Stand verlangt der Verband für die neue Veranstaltung keine speziellen tierärztlichen Bescheinigungen mehr – nur ein gültiger Tollwut-Impfnachweis sei nötig. Das lässt auf eine deutlich weniger rigide Haltung schließen. Laut MDR-Bericht sollen lediglich stichprobenartige Kontrollen am Eingang und an den Ringen erfolgen. Damit steht zu befürchten, dass genau jene Rassen und Zuchtlinien wieder zur Schau gestellt werden, die Dr. Kreis aus Gründen des Tierschutzes in Erfurt nicht mehr zugelassen hatte.

Verantwortung liegt bei der Genehmigungsbehörde – nicht beim Veranstalter

Rechtlich ist klar: Die Entscheidung über Auflagen für Tierausstellungen liegt bei der jeweils zuständigen Veterinärbehörde. Diese hat auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage und des jeweiligen tierärztlichen Kenntnisstandes zu prüfen, welche Maßnahmen nötig sind, um das Verbot von Qualzuchten und das Tierwohl wirksam umzusetzen. Die Umsetzung ist Ermessenssache – aber dieses Ermessen muss sich am Gesetz und am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis orientieren, nicht an wirtschaftlichen Interessen oder politischem Opportunismus.

Sollte sich herausstellen, dass im Kyffhäuserkreis Maßstäbe angelegt werden, die unterhalb dessen liegen, was aus tierschutzfachlicher Sicht geboten wäre, dürfte das ein Fall für die Fachaufsicht sein. Denn ungleiche Maßstäbe innerhalb eines Bundeslands gefährden nicht nur das Vertrauen in die Verwaltung, sondern konterkarieren die gesetzlichen Ziele selbst.

Fazit: Ein Lehrstück über Beharrlichkeit, Interessen und öffentliche Verantwortung

Was sich aktuell zwischen Erfurt und Sondershausen abspielt, ist mehr als nur eine Standortverlagerung. Es ist ein exemplarischer Fall dafür, wie Tierschutzrecht in der Praxis auf wirtschaftliche Interessen trifft – und wie schwer es Behörden gemacht wird, wenn sie ihre Verantwortung ernst nehmen.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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