Haftungsrisiken bei Zusammenstößen zwischen Radfahrern und Hunden im Überblick
Unfälle zwischen Fahrradfahrern und freilaufenden oder angeleinten Hunden sind ein häufiger Anlass für Streitigkeiten, insbesondere hinsichtlich der Haftung. Besonders kompliziert gestaltet sich die Rechtslage auf Wegen, die nicht speziell als Radwege ausgewiesen sind, etwa auf landwirtschaftlichen Wegen, Feldwegen oder Waldwegen. Um Missverständnisse vorzubeugen, ist es wesentlich, sich über die tatsächliche Rechtslage und daraus resultierende Verpflichtungen klar zu sein.
Typische Missverständnisse zu Feldwegen, Waldwegen und Radwegen
Ein häufiger Fehler besteht darin, Feld- oder Waldwege automatisch mit Radwegen gleichzusetzen. Diese Wege sind jedoch – sofern nicht explizit als Radweg ausgeschildert (blaues Schild mit weißem Rad) – meist gemeinsame Wege, die von verschiedenen Verkehrsteilnehmern genutzt werden dürfen. Dazu zählen Fußgänger, Reiter, landwirtschaftliche Fahrzeuge und eben auch Radfahrer. Jeder dieser Verkehrsteilnehmer muss dabei Rücksicht auf die anderen nehmen. Entgegen der verbreiteten Annahme haben Radfahrer hier keine exklusiven oder erweiterten Rechte und dürfen keineswegs höhere Geschwindigkeiten ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer fahren.
Rechtslage zur Nutzung gemeinsamer Wege durch Fußgänger mit Hund
Auch Hundehalter dürfen diese Wege selbstverständlich mit ihren Hunden nutzen. Allerdings gilt auch hier die grundsätzliche Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet konkret: Der Hundehalter muss sein Tier stets so beaufsichtigen und kontrollieren, dass es für andere Verkehrsteilnehmer keine Gefährdung darstellt. Dies umfasst insbesondere die Verpflichtung, den Hund angemessen zu sichern oder zumindest jederzeit abrufbereit zu haben.
Die Leinenpflicht variiert dabei stark nach Gemeinde, Kommune oder Bundesland. Doch selbst wenn keine ausdrückliche Leinenpflicht besteht, entbindet dies den Halter nicht von der Pflicht, seinen Hund jederzeit kontrollieren zu können. Dies schließt ein, auf mögliche Gefahrensituationen – beispielsweise herannahende Radfahrer – angemessen reagieren zu können.
Haftung des Hundehalters bei Unfallereignissen
Die Haftung bei einem Zusammenstoß zwischen einem Hund und einem Radfahrer richtet sich nach der Gefährdungshaftung des § 833 Satz 1 BGB. Diese Gefährdungshaftung ist verschuldensunabhängig, d. h. allein das Vorliegen eines Schadens durch den Hund begründet bereits eine Haftung des Hundehalters. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der Hund frei lief oder angeleint war. Entscheidend ist allein, dass die Verletzung oder der Sachschaden unmittelbar durch das Verhalten des Hundes verursacht wurde.
Eine Entlastung des Hundehalters kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte den Schaden allein durch eigenes, grob fahrlässiges Verhalten oder Vorsatz verursacht hat. In der Praxis ist eine solche Entlastung jedoch eher selten, da der Halter stets darlegen und beweisen müsste, dass die Ursache des Unfalls allein im Fehlverhalten des Radfahrers lag.
Rechtslage bei vorsätzlicher Wegblockade durch Hundehalter
Manchmal kommt es dazu, dass Hundehalter bewusst mitten auf einem Weg gehen, um Radfahrer zur Geschwindigkeitsreduktion oder zur Vorsicht zu bewegen. Diese Praxis mag aus Sicht des Halters verständlich erscheinen, rechtlich ist sie allerdings problematisch: Eine bewusste Wegblockade, um andere Verkehrsteilnehmer zu einer Verhaltensänderung zu zwingen, könnte in extremen Fällen durchaus als Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) gewertet werden – insbesondere wenn der Halter absichtlich andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet. Zwar ist eine solche Strafbarkeit in der Praxis selten, da meist keine konkrete Gefährdung oder vorsätzliches Fehlverhalten belegbar ist; das Verhalten kann jedoch zu einer Mithaftung führen, wenn es zu einem Unfall kommt.
Verkehrssicherungspflicht und Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme
Grundsätzlich gilt für jeden Verkehrsteilnehmer auf nicht gesondert ausgewiesenen Wegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 1 StVO. Dies bedeutet für Radfahrer: Sie müssen ihre Geschwindigkeit so wählen, dass sie jederzeit in der Lage sind, auf unvorhergesehene Situationen – beispielsweise plötzlich ausscherende Hunde – angemessen reagieren zu können.
Für Hundehalter bedeutet dies hingegen, dass sie ihren Hund stets so führen und kontrollieren müssen, dass es nicht zu einer gefährlichen Situation kommen kann. Hierbei sind konkrete Umstände wie Sichtverhältnisse, Beschaffenheit des Weges und Anzahl der anderen Verkehrsteilnehmer maßgeblich.
Versicherungsfragen bei Unfällen zwischen Hund und Fahrradfahrer
Im Falle eines Unfalls tritt üblicherweise die Hundehalterhaftpflichtversicherung für entstandene Schäden ein. Hundehalter sollten daher dringend darauf achten, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, da sonst erhebliche finanzielle Risiken drohen. Für Radfahrer wiederum kann es sinnvoll sein, eine private Unfall- oder Haftpflichtversicherung abzuschließen, um auch eigene Risiken abzudecken.
Empfehlungen für die Praxis: Verhaltensempfehlungen für Hundehalter und Radfahrer
Um unnötigen Konflikten und Unfällen vorzubeugen, empfiehlt sich ein vorsichtiges und vorausschauendes Verhalten beider Seiten: Radfahrer sollten ihre Geschwindigkeit anpassen, insbesondere bei schlechter Sicht, engen Wegen oder erkennbaren Situationen mit potenziellen Gefahrenquellen (Hunde, Pferde, Kinder). Hundehalter sollten den Hund möglichst kurz führen oder zumindest stets auf eine schnelle Reaktion hin abrufbereit halten.
Zudem sollten Radfahrer rechtzeitig auf sich aufmerksam machen – idealerweise nicht erst kurz vor der Begegnung, sondern frühzeitig, um dem Hundehalter Gelegenheit zur Reaktion zu geben. Ein freundlicher Umgang miteinander trägt zusätzlich dazu bei, mögliche Konflikte bereits im Ansatz zu vermeiden und macht den Aufenthalt im Freien für alle Beteiligten angenehm.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“