: : Rücktritt vom Pferdekauf bei gestreckter Ankaufsuntersuchung – Rechtslage und Irrtümer

Die Bedeutung der Ankaufsuntersuchung im Pferdekaufvertrag

Beim Erwerb eines Pferdes spielt die sogenannte Ankaufsuntersuchung (AKU) eine zentrale Rolle. Sie dient der Beurteilung des Gesundheitszustandes des Tieres und ist für Käufer und Verkäufer gleichermaßen ein Instrument zur Risikoabwägung. Viele Kaufverträge enthalten Regelungen, wonach das Zustandekommen des Vertrages oder der Verbleib beim Käufer davon abhängt, dass die AKU „bestanden“ wird. Doch was bedeutet das konkret – und wann ist sie überhaupt abgeschlossen?

Suspensive Bedingungen im Kaufvertrag: Rücktritt oder aufschiebende Wirksamkeit?

Nicht selten ist der Pferdekaufvertrag so gestaltet, dass die Wirksamkeit des Vertrags unter der Bedingung steht, dass das Pferd die AKU besteht. Juristisch handelt es sich um eine sogenannte suspensive Bedingung gemäß § 158 Abs. 1 BGB. Das bedeutet: Der Vertrag entfaltet erst dann Wirkung, wenn die Bedingung eintritt – also die AKU vollständig und ohne relevante Befunde abgeschlossen ist. Bis dahin befindet sich das Geschäft in einem schwebenden Zustand.

Der Käufer kann dann nicht im eigentlichen Sinne „zurücktreten“, weil noch kein rechtswirksamer Vertrag vorliegt. Vielmehr verweigert er schlicht die Annahme des Kaufobjekts, weil die vereinbarte Bedingung – eine beanstandungsfreie AKU – (noch) nicht erfüllt ist.

Wann gilt eine Ankaufsuntersuchung als abgeschlossen?

Ein zentraler Punkt ist die Frage, wann die AKU als „abgeschlossen“ gilt. Dies ergibt sich entweder aus der vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Ablauf der konkreten Untersuchung. Ist – wie im vorliegenden Fall – von vornherein klar, dass bei einem auffälligen Befund ein zweiter Untersuchungstermin angesetzt wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die AKU bereits beendet war.

Wird von allen Beteiligten ein zweiter Termin vereinbart, um einen unklaren Einzelbefund zu überprüfen, verlängert sich die AKU faktisch. Es handelt sich dann um eine gestreckte Ankaufsuntersuchung. Solange diese nicht vollständig durchgeführt wurde, kann weder der Käufer argumentieren, die AKU sei „nicht bestanden“, noch der Verkäufer, sie sei „bestanden“.

Ist ein Rücktritt vor Abschluss der AKU zulässig?

Ein Rücktrittsrecht aus dem Kaufvertrag besteht nur dann, wenn der Vertrag bereits wirksam ist – also die aufschiebende Bedingung eingetreten ist – oder ein gesetzliches Rücktrittsrecht gegeben ist, etwa wegen einer Pflichtverletzung.

Bricht der Käufer die Untersuchung eigenmächtig ab und erklärt den Rücktritt, obwohl die vertraglich vorgesehene oder einvernehmlich vereinbarte AKU noch nicht abgeschlossen ist, fehlt es an der Voraussetzung für ein Rücktrittsrecht. Juristisch handelt es sich entweder um eine unbeachtliche einseitige Erklärung oder, falls der Vertrag ohnehin unter der Bedingung der bestandenen AKU stand, schlicht um die Mitteilung, dass der Vertrag nicht wirksam wird.

In beiden Fällen kann der Verkäufer jedoch grundsätzlich verlangen, dass die Untersuchung wie vereinbart durchgeführt wird, um Klarheit zu schaffen – zumindest dann, wenn der Vertrag den Untersuchungsumfang verbindlich festgelegt hat.

Vertragsgestaltung ist entscheidend: Rücktrittsrecht bei Auffälligkeit?

In vielen Verträgen ist geregelt, dass der Käufer bei „nicht bestandener AKU“ vom Vertrag zurücktreten darf. Doch was bedeutet „nicht bestanden“? Hier liegt häufig die Ursache für Streitigkeiten.

Wird das Bestehen der AKU an die völlige Befundfreiheit geknüpft, reicht bereits eine Auffälligkeit – selbst wenn sie als nicht signifikant eingestuft wird – potenziell aus, um das Rücktrittsrecht auszulösen. Anders verhält es sich, wenn der Vertrag klarstellt, dass nur klinisch relevante Befunde oder solche mit prognostischer Bedeutung eine „Nichtbestehung“ begründen.

Wurde – wie im diskutierten Fall – ein Befund beobachtet, der rein vorsorglich in einer zweiten Untersuchung überprüft werden sollte, spricht vieles dafür, dass die AKU noch nicht abgeschlossen war. Ein voreiliger Rücktritt wäre daher unzulässig.

Rechtsfolgen eines unberechtigten Rücktritts

Erklärt der Käufer den Rücktritt zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine vertragliche oder gesetzliche Grundlage dafür besteht, handelt es sich rechtlich um einen unbegründeten Rücktritt. Der Verkäufer kann in einem solchen Fall unter Umständen Schadensersatz verlangen – etwa für entstandene Kosten der Untersuchung, Transportkosten oder entgangene Verkäufe an andere Interessenten.

Zu prüfen wäre in solchen Fällen auch, ob der Käufer überhaupt zur Beendigung der Untersuchung berechtigt war oder ob er gegen vertragliche Mitwirkungspflichten verstoßen hat.

Wichtig: Dokumentation, Kommunikation und Einvernehmen

Gerade bei lebenden Tieren mit biologischen Schwankungen und Alltagsrisiken – etwa Vertreten auf hartem Paddockboden – ist Transparenz entscheidend. Wenn ein Folgeuntersuchungstermin vereinbart wurde, um einen unklaren, potenziell irrelevanten Befund zu klären, sollte diese Vereinbarung auch dokumentiert und durch alle Beteiligten bestätigt werden.

Bricht der Käufer den Prozess dann einseitig ab, fehlt es ihm häufig an einer rechtlichen Grundlage, um sich vom Vertrag zu lösen. Ein Rücktritt auf Verdacht oder „aus dem Bauch heraus“ kann haftungsrechtlich nachteilig sein.

Fazit: Kein Rücktrittsrecht bei offener oder gestreckter AKU

Ein Rücktritt vom Pferdekauf ist während einer noch nicht abgeschlossenen AKU in aller Regel unzulässig, wenn die Vertragslage einen Rücktritt nur bei „nicht bestandener“ Untersuchung erlaubt. Zeigt das Pferd eine unklare Auffälligkeit, die von allen Beteiligten in einem zweiten Schritt überprüft werden soll, ist die AKU faktisch noch im Gange.

Ein vorschneller Rücktritt widerspricht nicht nur dem vertraglich vereinbarten Ablauf, sondern kann je nach Konstellation auch Schadensersatzpflichten auslösen. Maßgeblich ist stets die konkrete vertragliche Regelung – insbesondere, ob und wie das „Bestehen“ der AKU definiert ist.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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