: : Schafherde auf der Straße – Was bei Viehtrieb mit Traktor oder Motorrad erlaubt ist

Viehtrieb mit Fahrzeugen – rechtliche Einordnung nach der StVO

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) sieht für den öffentlichen Verkehrsraum zahlreiche Regeln vor, die dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer dienen. Darunter fällt auch der sogenannte Viehtrieb. § 28 Abs. 1 StVO regelt, dass Tiere auf öffentlichen Straßen nur unter geeigneter Aufsicht geführt werden dürfen. In Absatz 2 heißt es ausdrücklich: „Von Kraftfahrzeugen aus dürfen Tiere nicht geführt werden.“

Diese Formulierung scheint eindeutig. Dennoch stellt sich in der Praxis regelmäßig die Frage, ob und inwieweit landwirtschaftliche Tiertransporte oder Viehtriebe unter Zuhilfenahme motorisierter Fahrzeuge zulässig sind. Die juristische Bewertung hängt stark von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Was bedeutet „Führen von Tieren“ im Sinne der StVO?

Der Begriff „Führen“ im Sinne der StVO meint eine unmittelbare Einwirkung auf die Tiere zur Steuerung ihrer Bewegung. Wird ein Tier also durch Zuruf, Gestik oder mit einem Hilfsmittel – etwa einem Hund oder einem Stock – gelenkt, ist dies klassisches Führen. Erfolgt diese Einwirkung aus einem Kraftfahrzeug heraus, kann dies gegen § 28 Abs. 2 StVO verstoßen.

Allerdings wird in der Verwaltungspraxis differenziert: Fährt ein Landwirt einem entlaufenen Tier lediglich hinterher, um es zu sichern, liegt keine Ordnungswidrigkeit vor. Anders ist es, wenn systematisch aus dem Fahrzeug heraus gelenkt wird, etwa durch gezieltes Abdrängen oder Einkesseln.

Wie werden Traktor, Quad oder Motorrad rechtlich behandelt?

Unabhängig von der Geschwindigkeit oder Motorleistung sind Traktor, Quad und Motorrad allesamt Kraftfahrzeuge im Sinne der StVO. Wer also mit einem solchen Fahrzeug die Herde lenkt – ob durch Hupen, Umkreisen oder direktes Treiben – führt Tiere im Sinne von § 28 Abs. 2 StVO aus einem Kraftfahrzeug heraus.

Ein Verstoß gegen diese Vorschrift stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Verwarngeld geahndet werden kann. Die Sanktion ist in der Regel geringfügig (zwischen 5 und 20 Euro), doch bei einer Gefährdung oder einem Unfall drohen weitergehende rechtliche Konsequenzen.

Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe?

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 StVO enthält kein ausdrückliches Ausnahmerecht. Jedoch kann in der praktischen Anwendung eine situationsabhängige Auslegung erfolgen. Wenn etwa das Führen zu Fuß objektiv unmöglich oder unzumutbar ist – etwa wegen großer Entfernungen oder einer plötzlichen Ausnahmesituation –, könnte das Einschreiten der Behörde unterbleiben.

Ebenso ist das sogenannte Entschließungsermessen zu beachten: Selbst wenn ein Verstoß festgestellt wird, kann die Behörde von einer Ahndung absehen, wenn keine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs vorliegt.

Viehtrieb und Tierschutz – wann wird es problematisch?

Unabhängig vom Verkehrsrecht kann auch das Tierschutzgesetz (TierSchG) berührt sein. Dieses verbietet unter anderem, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen (§ 1 Satz 2 TierSchG).

Ein Viehtrieb, bei dem Tiere massiv gestresst oder zu übermäßigen Leistungen gezwungen werden, kann tierschutzwidrig sein – insbesondere wenn er nicht tiergerecht organisiert ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn Schafe über lange Strecken in hohem Tempo getrieben werden, keine Pausen möglich sind oder die Tiere durch den Lärm des Motors panikartig reagieren.

Für die Bewertung kommt es auf viele Faktoren an: Trainingszustand, Alter der Tiere, Streckenlänge, Umgebungseinflüsse und verwendete Hilfsmittel (z.?B. Hunde oder Fahrzeuge). Dass Tiere „es gewohnt“ sind, einem Fahrzeug zu folgen, reicht nicht automatisch als Rechtfertigung aus.

Viehtrieb auf Privatwegen oder landwirtschaftlichen Flächen

Einige Diskussionen gehen an der Rechtslage vorbei, wenn sie nicht zwischen öffentlichem Verkehrsraum und privatem Gelände unterscheiden. Auf Privatwegen, die nicht für den allgemeinen Verkehr gewidmet sind, gilt die StVO nicht. Dort kann ein Tierhalter grundsätzlich nach eigenem Ermessen handeln – sofern keine anderen Vorschriften verletzt werden (z.?B. aus dem Tierschutzrecht oder dem Nachbarschaftsrecht).

Auch sogenannte beschränkt-öffentliche Wege, etwa landwirtschaftliche Nutzwege mit Widmung für Anlieger, unterliegen der StVO. Entscheidend ist immer die tatsächliche Verkehrsfunktion und Zugänglichkeit.

Praktische Empfehlungen für einen rechtssicheren Viehtrieb

Wer Tiere im öffentlichen Raum umsetzt, sollte folgende Grundsätze beachten:

– Die Tiere dürfen nicht durch das Fahrzeug gelenkt werden. Ein mitfahrender Fußgänger oder ein Hütehund sollte die aktive Steuerung übernehmen.
– Der Einsatz von Fahrzeugen sollte sich auf Begleitung und Absicherung beschränken, nicht auf aktives Treiben.
– Ein ausreichender Abstand zum Tier sollte eingehalten werden, um Stress oder Fluchtreaktionen zu vermeiden.
– Bei längeren Strecken empfiehlt sich eine vorherige Anzeige bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde oder Polizei, insbesondere bei Nutzung stark befahrener Straßen.
– Werden Kraftfahrzeuge genutzt, um lediglich in Sichtweite zu bleiben oder eine entlaufene Herde einzufangen, kann dies rechtlich unproblematisch sein – solange keine Steuerung erfolgt.

Fazit: Zwischen Verkehrssicherheit und Tierwohl

Der Einsatz von Traktor, Quad oder Motorrad beim Viehtrieb ist nicht per se verboten, aber stark reglementiert. Wer Tiere aktiv vom Fahrzeug aus lenkt, riskiert eine Ordnungswidrigkeit – auch wenn die Sanktion meist gering ausfällt. Tierschutzrechtlich ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Erheblicher Stress oder Verletzungsgefahren durch Motorlärm, Hetzen oder fehlende Kontrolle können auch zu Strafverfahren führen.

Sinnvoll ist eine tiergerechte Planung, bei der motorisierte Hilfsmittel nur unterstützend und niemals ersetzend für Mensch oder Hund eingesetzt werden.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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