Offenstallhaltung im Fokus der Behörden – Pflichten bei Kontrolle und Auflagen
Die Haltung von Pferden im Offenstall erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Sie entspricht dem natürlichen Bewegungsdrang der Tiere und kann bei fachgerechter Umsetzung eine tiergerechte Alternative zur Boxenhaltung darstellen. Zugleich birgt sie aber auch Konfliktpotenzial – insbesondere dann, wenn Außenstehende Haltungsbedingungen als problematisch empfinden und Meldung beim Veterinäramt machen. In der Praxis stellt sich oft die Frage, wie mit Behördenkontakten und insbesondere einem Stallwechsel umzugehen ist, wenn es zuvor bereits Beanstandungen gab.
Anzeige durch Spaziergänger – wann wird das Veterinäramt tätig?
Veterinärbehörden sind verpflichtet, jeder konkreten Meldung über mögliche tierschutzwidrige Zustände nachzugehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Anzeige aus objektiven Gründen oder aus bloßer subjektiver Wahrnehmung heraus erfolgt. Selbst wiederholte unbegründete Meldungen lösen Prüfpflichten aus. Entscheidend ist jedoch nicht der äußere Eindruck – etwa ob gerade kein Futter sichtbar ist oder Pferde nervös wirken –, sondern der tatsächliche Pflege- und Fütterungszustand der Tiere.
Ein gelegentlich leer gefressener Heuraufe ist kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, sofern die Versorgung insgesamt gesichert ist. Pferde sind sogenannte Dauerfresser, doch das bedeutet nicht, dass 24-Stunden-Zugang zu Heu zwingend ist. Eine Versorgung mit ausreichenden Mengen über den Tag verteilt – z.?B. mit Hilfe von Heunetzen oder Intervallfütterung – kann ebenfalls artgerecht sein. Entscheidend ist, dass das Fütterungskonzept dem Bedarf der Tiere entspricht und Mängel im Ernährungszustand ausgeschlossen sind.
Verhalten bei Auflagen und laufender Kontrolle
Wird nach einer Kontrolle eine tierschutzrechtliche Auflage erlassen, etwa zur Sicherstellung einer dauerhaften Futterverfügbarkeit oder besseren Dokumentation der Fütterungsroutine, so ist diese verbindlich umzusetzen. Ein Stallwechsel ändert an der Wirksamkeit solcher Auflagen nichts – sie bestehen fort, bis sie aufgehoben werden. Selbst wenn die Kontrolle im alten Stall als erledigt gilt, kann bei Umzug eine Nachkontrolle erfolgen.
Dabei ist zu beachten: Auch wenn keine konkrete Mitteilungspflicht über einen Stallwechsel im Gesetz vorgesehen ist, kann ein kommentarloses Verlassen des bisherigen Standortes zu Missverständnissen führen. Der Eindruck, man wolle sich einer Kontrolle entziehen, liegt schnell nahe – gerade dann, wenn die Vorgeschichte belastet ist.
Proaktive Kommunikation als vertrauensbildende Maßnahme
In Fällen, in denen es bereits zu Kontakten mit dem Veterinäramt kam – etwa infolge von Anzeigen oder Beanstandungen –, empfiehlt es sich, einen Stallwechsel transparent zu kommunizieren. Dies kann formlos per E-Mail oder telefonisch geschehen. Dabei sollte der neue Standort benannt und ggf. auf Verbesserungen hingewiesen werden, die im neuen Stall gegeben sind – etwa ständige Betreuung oder besser kontrollierbare Fütterungssysteme.
Ein solcher Schritt belegt Kooperationsbereitschaft und stärkt das Vertrauen in die Halterverantwortung. Er kann zudem verhindern, dass das Veterinäramt durch Dritte erfährt, dass die Tiere „verschwunden“ sind, was regelmäßig Nachfragen oder weitere Kontrollen auslöst.
Was passiert nach dem Stallwechsel?
Zieht ein Tierhalter mit seinen Pferden in einen anderen Zuständigkeitsbereich, informiert das bisherige Veterinäramt in der Regel das für den neuen Standort zuständige Amt, sofern der Betrieb bereits auffällig war oder Auflagen bestanden. Eine formelle Übergabeakte gibt es zwar nicht, jedoch ist ein Informationsfluss gängige Praxis.
Am neuen Stall kann dann – insbesondere bei gewerblicher oder größerer Tierhaltung – ebenfalls eine Kontrolle erfolgen. Das gilt umso mehr, wenn dort bereits andere Pferde untergebracht sind und regelmäßige Begehungen stattfinden. Wer bei einem etablierten Pensionsstall unterkommt, profitiert in der Regel davon, dass die Abläufe dort behördlich bekannt und überprüft sind.
Fehlwahrnehmungen durch Spaziergänger – sachlich bleiben
Gerade bei Offenstallhaltungen kommt es regelmäßig zu Missverständnissen mit Spaziergängern. Pferde, die sich in Ruhe zurückziehen oder die beim Fressen nicht beobachtbar sind, werden fälschlich als „verhungert“ eingeschätzt. Manche Passanten füttern gar eigenmächtig – mit riskanten Folgen. Verdorbene Lebensmittel, ungeeignete Brotreste oder große Mengen Zuckerhaltigem können erhebliche gesundheitliche Probleme verursachen.
Tierhalter sind gut beraten, durch Hinweisschilder auf Fütterungsverbote und bestehende Versorgung aufmerksam zu machen. Auch ein kurzer Gesprächsversuch mit besorgten Passanten kann helfen, Vorurteile abzubauen.
Fazit: Mit Offenheit und Struktur Vertrauen schaffen
Ein Stallwechsel nach Konflikten mit dem Veterinäramt ist keine Flucht, sondern kann ein legitimer Schritt zur Verbesserung der Tierhaltung sein. Voraussetzung ist jedoch, dass der Wechsel nicht als Versuch der Umgehung von Kontrollen missverstanden wird. Wer transparent handelt, aktiv informiert und Auflagen zuverlässig umsetzt, wird auch langfristig als verantwortungsvoller Tierhalter wahrgenommen.
Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“