Der Deutsche Tierschutzbund beschwert sich in einer aktuellen Presseerklärung über ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, nach dem Tierheime die Kosten für die Unterbringung von Fundtieren nur dann von Kommunen zurückverlangen können, wenn sie zuvor einen entsprechenden Fundtiervertrag vereinbart haben. Das Urteil ist hier zu finden. Das Gericht zwinge damit die Tierheime, Fundtiere zunächst an die Kommunen zu verweisen, weil diese rechtlich für die Verwahrung und Versorgung dieser Tiere zuständig sind. Damit, so meint der Deutsche Tierschutzbund, sei eine „historische Chance verpasst, eine praxisnahe Auslegung zugunsten der Tiere und im Sinne des Staatsziels Tierschutz zu treffen„.
Ich muss sagen: Ich kann’s nicht mehr hören. Seit gefühlt ewigen Zeiten begnügt sich die Dachorganisation vieler Tierschutzvereine in Deutschland damit, von Kommunen lautstark eine angemessene Finanzierung von Tierheimen zu fordern, statt seine Tierheim-betreibenden Mitgliedsvereine vernünftig dabei zu unterstützen, solche Forderungen auch wirklich durchzusetzen. Der Weg dahin mag in Einzelfällen auch über Gerichtsverfahren führen – die aktuelle Entscheidung zeigt aber wieder mal, dass das ein gefährlicher Weg ist, denn für „praxisnahe Auslegungen“ ist in diesem Rechtsgebiet nicht viel Raum. Tierschutzvereine nehmen regelmäßig für sich in Anspruch, sie hätten eine Art „natürliche Zuständigkeit“ für Fundtiere und wundern sich dann, wenn Kommunen diese Art von Selbstverständnis bereitwillig zum Anlaß nehmen, sich auf der Arbeit von Tierschutzvereinen auszuruhen.
Die Rechtslage in Sachen Fundtiere ist in Deutschland bemerkenswert klar: Zuständig für die Aufnahme und Verwahrung von Fundtieren sind die Kommunen, die deshalb auch die entsprechenden Kosten zu tragen haben. Sehr viele Kommunen entscheiden sich, mit der Aufgabe der Fundtierverwahrung eine private Organisation, beispielsweise einen Tierschutzverein, zu betrauen. An der rechtlichen „Zuständigkeit“ ändert das überhaupt nichts, und deshalb auch nichts an der Kostentragungspflicht der Gemeinden. Da die wirtschaftliche Kalkulation eines Tierheims, das sich in der Regel auch nicht auf die Aufnahme und Verwahrung von Fundtieren beschränkt, nicht alleine und jeweils im Einzelfall auf den Unterbringungskosten für ein Fundtier beruhen kann, gibt es über den Beitrag, den eine Gemeinde für den Betrieb des Tierheim aufzubringen hat, regelmäßig Streit. Die Gemeinde möchte gerne fallbezogen abrechnen, der Träger des Tierheims braucht dagegen einen vernünftigen Deckungsbeitrag für den 24h-Betrieb der Einrichtung.
Dieses Problem lässt sich kaum juristisch lösen. Es erfordert einerseits Verhandlungen, andererseits auf Seiten des Tierheims auch die (wirkliche) Bereitschaft, vom Betrieb eines Tierheims Abstand zu nehmen, wenn der Betrieb wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Genau davon wollen aber viele Tierschutzvereine nichts hören. Es läge in der Natur eines Tierschutzvereins, auch dann zugunsten der Tiere helfend einzugreifen, wenn es sonst niemand täte.
Und genau das ist Unsinn. Es kann gar nicht Aufgabe von Tierschutzvereinen sein, die Arbeit (und damit auch die finanziellen Aufwände) von Kommunen zu übernehmen, wo die ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Wenn man in diesem Zusammenhang eine Aufgabe sehen will, dann die, das Versagen einer Kommune bei der Fundtierverwaltung öffentlich aufzuzeigen und solange zu dokumentieren, bis die öffentlich empfundenen Schmerzen groß genug sind. Die Sorge um Tiere im öffentlichen Raum (was nach meiner persönlichen Meinung auch Wildtiere umfasst) ist eine gesellschaftliche Aufgabe und das muss sie auch bleiben. Kommunen jedenfalls teilweise aus dieser Verantwortung zu entlassen, indem sie ungefragt und im Zweifel ohne Kostenersatz übernommen wird, ist für Tierschutzvereine eine schlechte Strategie – das haben die letzten Jahrzehnte überaus deutlich gezeigt.
Gefragt wäre stattdessen eine neue Verweigerungskultur. Ich habe mit Vorstandskollegen in den Jahren 2012/2013 durchaus sehr erfolgreich eine Vollfinanzierung für den Fundtierbereich des Tierheims in Troisdorf erstritten, nachdem wir die Aufgabe der Fundtierverwaltung als reele Alternative zum Abschluß eines unterfinanzierten Vertrages dargestellt haben – und zwar so glaubwürdig, dass Verhandlungen plötzlich auf Augenhöhe stattfinden konnten. Das ging nicht ohne Verluste: mehrere Gemeinden haben sich dem neuen Fundtiervertrag nicht mehr angeschlossen und haben in Folge auch die Versorgung von Fundtieren nach meiner Meinung nicht mehr angemessen organisiert. Mit solchen Situationen muss man als Tierschutzverein rechnen und man muss sie aushalten.
Anstatt das durchaus gut nachvollziehbare Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes als „praxisfremd“ und „tierschutzfeindlich“ zu beschimpfen, wäre der Deutsche Tierschutzbund gut beraten, seine Mitgliedsvereine in der Aufstellung einer harten Verhandlungsstrategie und – als Vorbedingung dazu – gut begründeten Kostenkalkulationen für die Unterhaltung von Tierheimen zu beraten.
Nils Michael Becker:
Ich bin Rechtsanwalt mit Sitz in Bad Honnef (Aegidienberg). Einer meiner Interessenschwerpunkte sind Rechtsfragen rund um Tierschutz, Wildtiere und Jagdrecht sowie die Beratung gemeinnütziger Vereine. Bei Fragen rufen Sie mich gerne an: 02224-97690821. Meine Kanzlei befindet sich auf dem Retscheider Hof.