: : Tierschutz auf der Kippe – warum das Auslaufen des Amts der Bundestierschutzbeauftragten ein fatales Signal wäre

Ein befristeter Vertrag mit weitreichenden Folgen

Ende Mai endet der Arbeitsvertrag der Bundestierschutzbeauftragten – und bislang deutet nichts auf eine Verlängerung hin. Offiziell abgeschafft wurde das Amt nicht, doch das drohende Aus durch einfaches Auslaufen des Vertrags kommt faktisch einer Stilllegung gleich. Diese stille Demontage eines zentralen Instruments bundesweiter Tierschutzpolitik wirft grundlegende Fragen auf: Welche Rolle spielt Tierschutz noch auf der politischen Agenda? Und welche Konsequenzen hat es, wenn eine der wenigen unabhängigen Stimmen für Tiere im politischen Raum verstummt?

Warum das Amt geschaffen wurde – und warum es gebraucht wird

Das Amt der Bundestierschutzbeauftragten wurde eingeführt, um dem Tierschutz auf Bundesebene mehr Gewicht zu verleihen. Denn obwohl Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz steht, fehlt es bis heute an einer wirksamen institutionellen Umsetzung auf Bundesebene. Die Länder haben eigene Beauftragte, doch diese sind weder in bundespolitische Prozesse eingebunden noch mit entsprechenden Rechten ausgestattet.

Die Bundestierschutzbeauftragte bringt tierschutzfachliche Perspektiven in Gesetzgebungsverfahren ein, bewertet Reformvorschläge und stößt selbst Initiativen an. Ihre Arbeit umfasst Stellungnahmen zur Änderung des Tierschutzgesetzes ebenso wie konkrete Vorschläge zur Reduktion von Tierversuchen oder zur Lage der Tierheime. Diese Funktion kann weder ein Ministerium allein noch ein Landesbeauftragter übernehmen.

Politische Kurzsichtigkeit statt strategischer Weitsicht

Die Entscheidung, den Vertrag schlicht nicht zu verlängern, ist politisch bequem – aber kurzsichtig. Denn die Abschaffung eines Amtes ohne öffentliche Debatte oder förmliche Entscheidung signalisiert Desinteresse am Thema. Sie ignoriert die strukturellen Defizite, unter denen der Tierschutz in Deutschland seit Jahren leidet: mangelnde Rechtsdurchsetzung, unklare Zuständigkeiten, wirtschaftlicher Druck in der Tierhaltung, Überforderung in Tierheimen und Defizite in der Forschungspolitik.

Ohne eine institutionalisierte Stimme auf Bundesebene besteht die Gefahr, dass diese Herausforderungen weiter unbearbeitet bleiben. Ein bloßes Fachreferat im Ministerium kann diese Rolle nicht ersetzen, schon gar nicht, wenn dort ebenfalls Personalabbau stattfindet.

Falsche Sparlogik – geringer Aufwand, hoher Nutzen

Die finanziellen Argumente für die Nichtverlängerung überzeugen nicht. Der Gesamtaufwand für das Amt inklusive eines kleinen Teams liegt unter 400.000 Euro pro Jahr – ein Bruchteil dessen, was für andere Regierungsbeauftragte ausgegeben wird. Selbst wenn das Ziel einer Reduktion von Beauftragten verfolgt wird: Der Beitrag der Bundestierschutzbeauftragten zu einer ethisch reflektierten, wissenschaftlich fundierten und politisch balancierten Tierschutzpolitik ist den Aufwand allemal wert.

Die Streichung dieses Amts ist kein Beitrag zu nachhaltiger Haushaltskonsolidierung – sondern Ausdruck einer Prioritätensetzung zulasten der Schwächsten.

Symbolwirkung weit über das Amt hinaus

Das drohende Aus hat auch eine starke symbolische Dimension. Tierschutz genießt in der Bevölkerung breite Unterstützung. Millionen Menschen engagieren sich ehrenamtlich für Tierheime, setzen sich gegen Tierleid in der Landwirtschaft ein oder fordern ein Ende überflüssiger Tierversuche.

Ein Rückzug des Staates aus der institutionellen Verantwortung wirkt demotivierend auf diese Zivilgesellschaft. Es entsteht der Eindruck, als sei das Thema politisch abgelegt worden – ausgerechnet in Zeiten, in denen die Herausforderungen im Tierschutz zunehmen. Das untergräbt nicht nur Vertrauen in die Politik, sondern erschwert auch die Umsetzung notwendiger Reformen.

Rechtliche Verankerung statt politischer Willkür

Ein grundlegendes Problem des Amts liegt in seiner rechtlichen Konstruktion: Es ist nicht gesetzlich abgesichert, sondern beruht auf einem einfachen Verwaltungsakt und einem befristeten Arbeitsvertrag. Das macht es abhängig vom politischen Willen der jeweils amtierenden Regierung.

Langfristig braucht der Bund eine gesetzlich verankerte Institution, die dauerhaft und unabhängig tierschutzpolitische Themen begleitet. Dazu gehören gesetzlich definierte Aufgaben, klare Beteiligungsrechte bei Gesetzgebungsverfahren, Berichtspflichten gegenüber dem Bundestag und ein Anspruch auf personelle und sachliche Ausstattung. Nur so lässt sich verhindern, dass das Amt je nach Stimmungslage zur Disposition gestellt wird.

Was jetzt auf dem Spiel steht

Mit dem drohenden Auslaufen des Vertrags der Bundestierschutzbeauftragten steht weit mehr auf dem Spiel als eine einzelne Personalie. Es geht um die Zukunft einer zentralen politischen Schnittstelle zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft und Gesetzgebung.

Es geht um ein Amt, das in der Lage ist, Interessen auszugleichen, fachliche Kompetenz einzubringen und dem Verfassungsauftrag Tierschutz eine konkrete institutionelle Form zu geben.

Wird dieses Amt aufgegeben, ist das ein Rückschritt – fachlich, politisch und gesellschaftlich. Die Bundesregierung wäre gut beraten, das Mandat nicht auslaufen zu lassen, sondern als Chance zu begreifen: für eine strukturell gestärkte Tierschutzpolitik im Sinne von Tier, Mensch und Verfassung.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld. Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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