Was der Unterschied zwischen einem Sattel und einem Kühlschrank sei, wollte neulich ein Richter von mir wissen. Und ich war über diese Frage keineswegs überrascht. Denn auf den ersten Blick gibt es nach den Maßstäben der deutschen Gesetzgebung keinen Grund, weshalb der beim Elektrohandel gekaufte Kühlschrank anders zu behandeln wäre als der beim Sattler gekaufte Sattel. Ist das gelieferte Teil nicht in Ordnung, wird reklamiert und der Verkäufer ist zur Nachbesserung verpflichtet.
Aber gerade um die Frage, was eigentlich ein zur Nachbesserung verpflichtender Mangel ist, dreht sich das Elend unzähliger Gerichtsverfahren. Mithilfe von Gutachtern und Zeugen wird versucht, etwas griffig zu machen, was eigentlich nicht griffig zu machen ist: die Passform. Sattelkäufer bestehen häufig darauf, dass während der 24-monatigen Gewährleistungspflicht auch die richtige Passform vom Händler zu gewährleisten ist, während die Sattler darauf verweisen, dass Passform zwangsläufig vergänglich sei.
Ein Anwalt sollte nicht zu Depressionen neigen, wenn er vorhat, viele Gerichtsakten zu diesem Thema zu lesen. In einem Verfahren schrieb neulich ein Kollege, der sich selbst als „umfassend kundig“ bezeichnete, es sei allgemein bekannt, dass alle Sättel bei Auslieferung mangelhaft seien, weshalb sie auch alle nach der Auslieferung von Sattlern überprüft werden müssten. Das Gericht schrieb ihm zurück, eine solche Annahme sei „lebensfremd“ und wies die Klage kurzerhand ab. In einem anderen Verfahren postulierte der Anwalt der Klägerin, Sättel müssten maximal alle zwei Jahre überprüft werden und die Passform habe mit dem Pferd ja nichts zu tun. Das Gericht schrieb ihm zurück, es reiche eine schnelle Google-Recherche, um das als falsch zu erkennen. Vor ein paar Wochen verlangte eine Klägerin die Rücknahme des Sattels, weil er nur auf ihr altes, aber nicht mehr auf ihr neues Pferd passte. Das Seufzen der Richter war nicht nur im Gericht zu hören.
Und dennoch: Da sitzen am Klägertisch oft Kunden, die nie auf die Idee kommen würden, die Schuhe ihrer Kinder beim Händler zu reklamieren, weil die Kinder gewachsen und die Schuhe nun unpassend sind. Aber ein Pferdesattel? Warum nicht meckern, wenn der Sattel nach zwei Monaten Krankheitspause nicht mehr auf das Dressurpferd passt. Ebenso werden häufig täglich gerittene Sättel nach Jahren der Benutzung plötzlich beim Händler mit dem Argument reklamiert, das ursprüngliche Preisniveau des Sattels rechtfertige eine Art „Passformgarantie“. Davon, dass sich ein Pferderücken durch Training, Haltung und allgemeinem Gesundheitszustand beständig ändert, wollen manche Sattelbesitzer plötzlich nichts mehr wissen, wenn der Sattler für einen Kontrolltermin Kosten in Aussicht stellt.
Das Amtsgericht Biberach hat vor wenigen Wochen noch einmal sehr schön zusammengefasst, warum Passform bestenfalls nur in einem sehr engen Zeitraum nach Auslieferung eines Sattels noch ein rechtlicher Streitpunkt sein kann:
„Ein etwaiger Anpassungsbedarf ist von dem jeweiligen Pferd abhängig und haftet nicht dem Sattel an sich an. Es handelt sich daher nicht um eine Beschaffenheit des Sattels. […] Daneben liegt keine negative Abweichung des Sattels gegenüber anderen Sätteln vor, da ein etwaiger Anpassungsbedarf an das Pferd bei allen Sätteln vorliegt. Eine etwaige Anpassungspflicht stellt eine weitere Vertragspflicht dar und tangiert den Sattel als solchen nicht. Es ist lebensfremd davon auszugehen, dass alle verkauften Sättel ‚per se‘ mangelbehaftet sein sollen und erst eine Anpassung zur Mangelfreiheit führt. Die jeweilige Konstitution des Pferdes liegt in der Sphäre des Käufers und tangiert den Sattel nicht. […] Daneben kann in zeitlicher Hinsicht nicht darauf abgestellt werden, ob das Pferd […] tatsächlich geritten wurde oder nicht. […] Ansonsten würde sich der Beklagte (der Sattler, die Red.) fast zeitlich unbegrenzt und unabsehbar dazu verpflichten, den Sattel kostenlos anzupassen. […] Eine derart zeitlich unbegrenzte Verpflichtung müsste aufgrund der unabsehbaren Folgen explizit zwischen den Parteien vereinbart sein.“
Oder anders gesagt: Ein Sattel hat bei Übergabe zu passen, und das umfasst auch einen – je nach Pferd und Art des Trainings – kurzen Zeitraum danach. Aber die Erhaltung der Passform durch regelmäßige Kontrollen und entsprechende Beauftragung eines Sattlers ist Sache des Käufers. Dessen Arbeit ist eine Dienstleistung, die nicht durch den Sattelkauf abgedeckt ist – es sei denn, der Sattler hat das ausdrücklich so angeboten und vereinbart.
Kunden, die sich von ihrem Sattler eine erste kostenfreie Sattelkontrolle wünschen, sollten dies auch ausdrücklich so vereinbaren. Und Sattlern ist zu raten, für diese Überprüfung eine Frist zu setzen, damit es später keinen Streit gibt, wer für die Kosten aufzukommen hat. Klar ist jedenfalls auch nach diesem Urteil, dass die regelmäßige Anpassung von Sätteln rechtlich ein Thema des Pferdebesitzers ist, nicht des Sattlers.
Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 03/2014 der Dressur-Studien, die Sie hier erwerben können.