Grundsätzlich hat derjenige das Vorliegen einer Pflichtverletzung nachzuweisen, der einen Schadensersatz geltend macht. Somit muss grundsätzlich der Tierhalter beweisen, dass der Tierarzt einen Behandlungsfehler begangen hat. Von dieser Beweislast gibt es in der Humanmedizin jedoch eine Ausnahme. Liegt nämlich ein grober Behandlungsfehler vor, muss der Arzt nachweisen, dass er die Behandlung korrekt ausgeführt hat.
Gilt die Beweislastumkehr in der Humanmedizin auch in der Tiermedizin?
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil aus dem Jahr 2016 entschieden, dass die Beweislastumkehr in der Humanmedizin auch in der Tiermedizin gelte. Zugrunde lag ein Fall, in dem ein Tierarzt die Wunde eines Pferdes behandelte und dabei eine Fissur übersah, die sich in den nächsten Tagen zu einer Fraktur entwickelte. Die Operation der Fraktur misslang und das Pferd musste daraufhin eingeschläfert werden. Die Eigentümerin des Pferdes verklagte den Tierarzt später auf Zahlung von Schadensersatz.
Rechtsgrundsätze auch auf Behandlung von Tieren übertragbar
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs seien die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten beziehen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung komme – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt eine besondere Bedeutung zu, nämlich einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden sei.
Auch ein grob fehlerhaft handelnder Tierarzt trage durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hinein und vertiefe dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.05.2016, Az. VI ZR 247/15).
Englisch:
In principle, the party claiming damages must prove the existence of a breach of duty. Thus, in principle, the animal owner must prove that the veterinarian committed a treatment error. However, there is an exception to this burden of proof in human medicine. If there is a gross treatment error, the doctor must prove that he or she carried out the treatment correctly.