Wieder mal: Tierheime vor der Pleite. Echt?

Der Westdeutsche Rundfunk hat gestern in der beliebten Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ einen Beitrag über die Finanznot von Tierheimen, der exemplarisch das Tierheim in Köln-Zollstock und das in der Stadt Mülheim vorstellte. Das Konrad-Adenauer-Tierheim, so hieß es im Film, stehe vor dem Aus, weil die Stadt Köln nur einen kleinen Teil der Unkosten trage und die Rücklagen des Vereins nur noch zwei Jahre lang reichten. In Mülheim dagegen gebe es keine Not, weil es sich um eine städtische Einrichtung handele.

Man darf annehmen, dass es für Journalisten nicht ganz einfach ist, die Finanzierung von Tierheimen zu verstehen und zu vergleichen. Etwas weniger einfach hätten es sich die WDR-Redakteure allerdings schon machen können.

So wurde beispielsweise nicht hinterfragt, wieso eine städtische Einrichtung denn per se weniger Finanznot haben sollte, als ein privat geführtes Tierheim, dass über einen Fundtiervertrag mit einer Kommune verfügt (also deren Aufgaben in der Fundtierverwaltung gegen Entgelt übernimmt). Unterstellt, dass sich am Standard der Tierversorgung nicht beliebig sparen lässt, würde ich jederzeit davon ausgehen, dass der Finanzbedarf eines städtischen Tierheims sogar größer ist als der eines privaten – einfach, weil sich der Budgetposten Personal hier nach öffentlichrechtlichen Tarifverträgen richten muss, anstatt nur am gesetzlichen Mindestlohn.

Immerhin merkten die WDR-Redakteure an, dass das privat geführte Tierheim in Köln-Zollstock ihnen exakte Zahlen nicht habe überlassen wollen – aus „wettbewerblichen Gründen“. Konkret benannt wurden zum Budget nur vier Werte: Das Tierheim brauche pro Jahr 800.000 Euro, davon entfielen 540.000 Euro auf Fundtiere, die Stadt zahle 99.000 Euro pro Jahr. Und: Die Unterbringung eines Hundes koste pro Tag 21 Euro. Diese Zahlen alleine wären aber durchaus für zusätzliche Fragen gut gewesen, denn: Sie passen nicht ordentlich zusammen.

Vergessen wurde beispielsweise, dass Tierheime, die Tiere an neue Besitzer vermitteln, nicht nur Ausgaben haben, sondern auch Einnahmen. Die sind im Zweifel nicht mal gering. Es ist kein Zufall, dass sich viele heimische Tierschutzvereine in den letzten Jahren mit der Vermittlung ausländischer Hunde an einheimische Kunden ein zweites Standbein geschaffen haben: Die Geschäfte laufen nämlich häufig ganz gut. Auch die Rückgabe eines verlorenen Tieres an seinen rechtmäßigen Besitzer bringt Geld in die Kasse, denn die Tiereigentümer sind den Kommunen (bzw. stellvertretend dem beauftragten Tierheim) zum Ersatz der entstandenen „Aufbewahrungskosten“ verpflichtet. Gut möglich also, dass die von der Stadt Köln gezahlten 99.000 Euro also nur einen überschiessenden Betrag darstellen, nachdem in der Kalkulation die Einnahmen durch Tiervermittlung und Kostenersatz schon abgezogen wurden.

Der für das Tierheim arbeitetende Tierarzt, dessen Praxis-Partnerin im Vorstand des Tierheims sitzt (was im Beitrag nicht erwähnt wurde), verriet, dass jährlich zwischen 1.200 und 1.500 neue Tiere vorgestellt würden. Das wären bei 1.200 Tieren rechnerisch mehr als drei Tiere am Tag – Hunde, Katzen, Kleintiere. Wenn jedes dieser Tiere vier Wochen im Tierheim verbliebe und die gleichen Kosten wie ein Hund verursachen würde, läge der notwendige Etat noch immer nur bei etwas mehr als 700.000 Euro, die Erträge nicht mal gegengerechnet.

Man sieht: Mit solchen Zahlen bleiben schnell viele Fragen offen. Und es dürfte der Diskussion um die Finanzierung von Tierheimen keineswegs gut tun, dass die Vereine selbst es sind, die häufig transparente Kalkulationen schuldig bleiben. Und zwar nicht nur im Kontakt mit den Medien: Auch die Sprecherin der Stadt Köln deutete in einem Statement an, es läge am Tierschutzverein, einen erweiterten Finanzbedarf nicht nur zu behaupten, sondern auch nachvollziehbar darzulegen.

Genau da hapert es nach meiner Erfahrung bei vielen Vereinen. Nähme man die im Filmbeitrag zu hörenden Aussagen der Kölner Tierheimleiterin ernst, hätte der dortige Verein übrigens derzeit noch 1,4 Millionen Euro auf dem Konto. Das würde ich ihm wünschen, bezweifle ich aber.

http://www.ardmediathek.de/tv/Tiere-suchen-ein-Zuhause/Finanznot-in-Tierheimen/WDR-Fernsehen/Video?documentId=30058450&bcastId=12226390

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