: : Zerrissenes Testament im Schließfach – wann ein letzter Wille wirkungslos bleibt

Zerreißen als eindeutiger Widerruf eines Testaments

Wenn ein Erblasser sein Testament in zwei Hälften zerreißt, wird dies rechtlich als klarer Ausdruck des Widerrufs gewertet. Dabei genügt allein die physische Handlung des Zerreißens – sie lässt eine Widerrufsabsicht vermuten, ohne dass zusätzliche Erklärungen erforderlich wären. Das gilt insbesondere dann, wenn das Dokument eigenhändig verfasst wurde, also ein wirksames privatschriftliches Testament darstellt. Entscheidend ist, dass das Schriftstück nicht zufällig oder durch äußere Einwirkung beschädigt wurde, sondern gezielt vom Erblasser selbst zerstört wurde.

Die Gerichte unterstellen bei einer solchen Handlung, dass sie mit dem Willen zur Vernichtung des Testaments erfolgt ist. Diese gesetzliche Vermutung kann zwar widerlegt werden – etwa durch klare Beweise, dass der Erblasser das Testament trotz der Beschädigung weiter als gültig ansehen wollte –, in der Praxis gelingt das aber nur selten.

Aufbewahrung im Schließfach ändert rechtlich nichts

Der Umstand, dass ein zerrissenes Testament im Schließfach verwahrt wird, führt nicht dazu, dass dieses wieder wirksam wird. Denn allein die Aufbewahrung eines bereits vernichteten Testaments lässt nicht mit hinreichender Sicherheit auf einen fortbestehenden Testierwillen schließen.

Die Frage, warum ein Erblasser ein zerrissenes Testament überhaupt verwahrt, kann offenbleiben. Theoretisch könnten sentimentale Gründe, eine geplante spätere Neufassung oder schlicht Nachlässigkeit eine Rolle spielen. Doch das alles sind Mutmaßungen, die nicht ausreichen, um die gesetzlich vermutete Widerrufsabsicht zu entkräften. Maßgeblich bleibt die objektive Handlung des Zerreißens – sie überlagert jede spekulative Überlegung zur weiteren Aufbewahrung.

Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge bleibt bestehen

Wird ein Testament vernichtet, lebt die gesetzliche Erbfolge automatisch wieder auf. In dem konkreten Fall wurde daher der Erbschein zu Recht erteilt – die Ehefrau des Erblassers und dessen Mutter wurden als gesetzliche Erben festgestellt.

Die nachträgliche Auffindung des zerrissenen Testaments änderte an dieser Erbfolge nichts mehr. Auch eine Beschwerde gegen den Erbschein blieb erfolglos. Denn durch das bewusste Zerstören des Testaments war der begünstigte Beteiligte aus dem Testament rechtlich nicht mehr Erbe geworden. Das Nachlassgericht musste daher keine Änderung des bereits ausgestellten Erbscheins vornehmen.

Beweisanforderungen bei angeblichem versehentlichen Zerreißen

Wer sich darauf beruft, dass ein Testament nicht absichtlich, sondern versehentlich oder durch Dritte zerstört wurde, trägt hierfür die volle Beweislast. In der Praxis ist dieser Nachweis äußerst schwer zu führen.

Im entschiedenen Fall hatte ausschließlich der Erblasser Zugang zum Schließfach, was gegen ein versehentliches Zerreißen durch andere spricht. Die Risskanten des Papiers waren zudem unregelmäßig, aber typisch für ein von Hand in zwei Hälften gerissenes Schriftstück. Damit war auch ein ungewolltes Auseinanderfallen durch Alter oder äußere Einflüsse praktisch ausgeschlossen.

Wenn solche Indizien hinzukommen, gehen Gerichte mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer bewussten Widerrufshandlung des Erblassers aus. Der angeblich Begünstigte kann dann nur mit stichhaltigen und objektiv überprüfbaren Gegenbeweisen eine Änderung der Rechtslage erreichen.

Praktische Konsequenzen für Erben und Testierende

Für Erben, die sich auf ein Testament berufen wollen, bedeutet dies: Ein beschädigtes oder zerrissenes Testament sollte immer sorgfältig auf seinen Ursprungszustand geprüft werden. Gibt es Anzeichen für eine bewusste Vernichtung durch den Erblasser, ist größte Vorsicht geboten. Wer zu früh auf das Testament vertraut, riskiert kostspielige Auseinandersetzungen und letztlich den Verlust etwaiger Erbansprüche.

Für Testierende wiederum gilt: Wer sein Testament widerrufen will, sollte dies eindeutig und möglichst vollständig tun. Das physische Vernichten eines Testaments ist dafür ausreichend. Wer jedoch bewusst ein altes Testament aufbewahren will – etwa zur späteren Neuformulierung – sollte dieses unbedingt unversehrt lassen und den Willen zur Fortgeltung klar dokumentieren. Andernfalls droht die Unwirksamkeit.

Warum anwaltliche Beratung hier entscheidend ist

Sowohl im Erbfall als auch bereits bei der Abfassung oder Vernichtung eines Testaments sollte unbedingt ein erfahrener Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Im Nachhinein lassen sich viele Sachverhalte – insbesondere die tatsächliche Widerrufsabsicht – kaum noch zuverlässig aufklären.

Für Erben kann eine frühzeitige anwaltliche Prüfung helfen, den Bestand eines Erbscheins zu sichern oder gegen einen fehlerhaft ausgestellten Erbschein vorzugehen. Dabei geht es nicht nur um Rechtsfragen, sondern vor allem um Beweise, die rasch gesichert werden müssen – etwa durch notarielle Dokumentation, Zeugen oder gutachterliche Einschätzungen.

Rechtsanwalt Nils Michael Becker aus Bad Honnef bei Bonn ist mit seiner Kanzlei auf Tierrecht, Datenschutz und Vereinsrecht spezialisiert. Er ist Partner und Dozent an der Tierechtsakademie in Bielefeld und unterrichtet regelmäßig an der Akademie des Deutschen Beamtenbundes (dbb Akademie). Einfache und schnelle Terminvereinbarung unter nilsbecker.de/telefontermin.“

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