Das OLG Nürnberg hat in seinem Hinweisbeschluss vom 19. Februar 2024 (3 U 2291/23) eine wesentliche Entscheidung zur Auslegung vertraglicher Pflichten zur Unterlassung der öffentlichen Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke im Internet getroffen. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, inwiefern ein Unterlassungsvertrag die Pflicht zur aktiven Beseitigung eines Verletzungszustands, einschließlich der Einwirkung auf Dritte, umfasst. Dieser Fall betrifft eine Gemeinde, die unerlaubt Kartenausschnitte auf ihrer Webseite veröffentlicht hatte.
Die Klägerin, Betreiberin der Webseite www.s[…].de, hatte urheberrechtlich geschützte Kartenausschnitte lizenziert, die von der beklagten Gemeinde ohne Genehmigung genutzt wurden. Nach einem Vergleich zahlte die Beklagte einen Ausgleich und gab eine Unterlassungserklärung ab. Trotz der Entfernung der Kartenausschnitte aus dem Content-Management-System (CMS) der Beklagten waren diese weiterhin über Suchmaschinen und das Internetarchiv „w…“ auffindbar. Die Klägerin sah darin eine Verletzung des Unterlassungsvertrags.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die Klage der Klägerin ab, da es an einer erneuten Verletzungshandlung durch die Beklagte fehlte. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein, argumentierte jedoch erfolglos, dass die Beklagte der Speicherung im Internetarchiv entgegenwirken und bei den Suchmaschinen Löschanträge stellen hätte müssen.
Auslegung des Unterlassungsvertrags
Das OLG Nürnberg bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass kein Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag vorliegt. Die Auslegung des Unterlassungsvertrags richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Urheberrechtsgesetzes, insbesondere § 19a UrhG. Der Unterlassungsvertrag beschränkt sich demnach auf die Pflicht, die Kartenausschnitte nicht ohne Zustimmung der Klägerin im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Eine weitergehende Pflicht, aktiv gegen die Auffindbarkeit der Inhalte in Suchmaschinen oder im Internetarchiv vorzugehen, besteht nicht.
Die Entscheidung berücksichtigt, dass die öffentliche Wiedergabe eine bewusste Handlung des Nutzers voraussetzt. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte keine Kontrolle mehr über die Kartenausschnitte, nachdem sie diese aus ihrem CMS entfernt hatte. Die weitere Verfügbarkeit im Internetarchiv und in Suchmaschinen kann nicht als bewusste Wiedergabehandlung der Beklagten gewertet werden.
Kriterien der öffentlichen Wiedergabe
Die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, erfordert eine individuelle und wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände. Hierbei spielt die Absicht des Nutzers eine wesentliche Rolle. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte keine absichtliche Wiedergabe der Kartenausschnitte vornahm, nachdem diese aus ihrem CMS entfernt wurden. Die Auffindbarkeit der Inhalte in einem Internetarchiv oder über Suchmaschinen kann nicht als eine solche absichtliche Handlung betrachtet werden.
Diese Entscheidung setzt einen wichtigen Maßstab für die Auslegung vertraglicher Unterlassungsverpflichtungen im Kontext des Urheberrechts. Sie betont, dass die Verpflichtungen des Unterlassungsschuldners in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des Urheberrechtsgesetzes stehen und nicht darüber hinausgehen. Damit liefert das Urteil des OLG Nürnberg eine wegweisende Richtschnur für die Beurteilung ähnlicher Fälle in der Zukunft.