„Der Verein übernimmt jetzt sämtliche Kosten“

In der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid haben Autofahrer am Rande einer Straße zwölf Katzenwelpen gefunden, die offensichtlich ausgesetzt worden sind. Der Tierschutzverein, der sie aufgenommen hat, bittet jetzt um Spenden – dabei müsste eigentlich die Gemeinde für die Kosten aufkommen. Aber wie viele andere Kommunen verweigert sie sich mit fadenscheinigen Argumenten.

In der Finanzierung von Tierheimen ist die Frage seit einigen Jahren wieder aktuell: Müssen Kommunen die Kosten für ausgesetzte Haustiere übernehmen oder nicht? Zahlungsunwillige Gemeinden berufen sich häufig darauf, dass bestimmte Tiere herrenlos seien, weshalb die Kommune als Träger der Fundsachenverwaltung keine Kosten übernehmen müsse. Denn es gilt: Nur was einen Eigentümer hat, kann verloren gehen und damit eine Zuständigkeit der Gemeinde begründen. Gerade bei Katzen wird gerne angeführt, dass bei diesen Tieren ohnehin nicht sicher zu sagen sei, ob sie einen Eigentümer haben oder nicht – denn schließlich kämen Katzen auch alleine ganz gut in der Natur zu recht und es sei allgemein bekannt, dass sich überall wilde Populationen entwickeln, die keinen ursprünglichen Eigentümer mehr haben.

Bei ausgesetzten Tieren wird argumentiert, durch das Aussetzen gebe der ursprüngliche Eigentümer ja gerade seinen Willen kund, das EIgentum aufgeben zu wollen, während dies beim klassischen „Verlieren“ einer Sache, also beispielsweise einer Brille oder einer Geldbörse, ja ganz offensichtlich nicht der Fall sei. Deshalb müssten sich die Gemeinden zwar um Brille oder Geldbörse kümmern und diese auf eigene Kosten für sechs Monate aufbewahren, nicht aber ein ausgesetztes Tier.

Beide Argumentation kommen städtischen Kämmerern zwar gut gelegen, einleuchtend sind sie aber nicht. Und ich meine: auch rechtlich nicht haltbar. Der wesentliche Punkt, der gegen einen solchen Rechtsstandpunkt tritt, ist die Verankerung des Tierschutzgedankens in der Verfassung und in anderen Normen. Der Gesetzgeber hat nicht nur bestimmt, dass Tierschutz ein wesentliches Gut unserer Gesellschaft sein soll, er hat auch festgelegt, dass Tiere keine Sachen sind. Deshalb muss ein Stuhl, an dem jemand das Eigentum „aufgegeben“ hat, anders behandelt werden, als ein Haustier, mit dem der Eigentümer das ebenfalls versucht.

Es ist kein Zufall, dass sich Bürger von bestimmten Dingen nicht einfach trennen können. Es gäbe vermutlich langandauernde Jubelfeiern, wenn man sich beispielsweise in der Bundesrepubublik von Abfall einfach dadurch „trennen“ könnte, indem man ihn auf die Straße stellt und verkündet, das Eigentum daran aufzugeben. Wer das schon mal ausprobiert hat, kennt die Bußgeldbescheide, mit denen Ordnungsbehörden diesen Ansatz zu recht bestrafen. Aber mit Katzenwelpen soll das erlaubt sein?

Ich empfehle Tierschutzvereinen schon seit Jahren, in Fällen wie den Katzenwelpen von Neunkirchen-Seelscheid die Kommunen auf Kostenersatz in Anspruch zu nehmen und im Zweifel Musterprozesse zu führen. In der Regel scheuen die Vereine davor zurück, weil sie immer noch hoffen, irgendwann doch einen Fundtiervertrag mit den Kommunen schließen zu können. Die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid ist aber ein Musterbeispiel dafür, dass Kommunen sich eher aus der Verantwortung zurückziehen: Sie hat im Jahr 2013 den Fundtiervertrag mit dem Tierheim Troisdorf gekündigt und kümmert sich nun per Ansage nicht mehr um aufgefundene Katzen.

Deshalb heisst es vorläufig auch in diesem Fall: Der Tierschutzverein trägt alle Kosten. Oder wie wir Juristen sagen: Wo kein Kläger, da kein Richter.

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