Was Pferdebesitzer und Selbstversorger heute noch erledigen sollten


Wir haben gestern bei den Dressur-Studien den zweiten Videopodcast zum Thema Corona und Pferdebetriebe durchgezogen und am Freitag wird die dritte Ausgabe folgen. In zunehmendem Maße konzentrieren sich die Fragen der Zuschauer nun darauf, ob im Falle von Ausgangssperren die Versorgung ihrer Pferde noch gesichert ist.

Meine Antwort: Ja, ist sie. Jedenfalls dann, wenn sich jeder Pferdebesitzer verantwortungsvoll auf die aktuelle Situation einstellt, denn Ausgangssperren werden dabei nach meiner Einschätzung ein vergleichsweise kleines Problem sein.

Viel relevanter erscheint mir für die nächsten Wochen, sich strukturell darauf vorzubereiten, dass Menschen erkranken und wichtige Versorgungsstrukturen damit ausfallen könnten. Die leidigen Diskussionen über Zugangsbeschränkungen in Ställen erledigen sich stätestens dann schlagartig, wenn es innerhalb des Stallpersonals oder der den Betreibern zu einem Infektionsfall kommt. Das hierüber weniger diskutiert wird als über Ausgangssperren zeigt, dass viele das eigentliche Problem nicht erkennen. Deshalb einmal kurz erklärt:

Ausgangssperren sind eine ordnungspolizeiliche Maßnahme, mit der man auch genau so umgehen kann. Sprich: Es gibt per se immer Ausnahmen für alles, was unabdingbar wichtig ist, zudem gibt es auch immer Ausnahmen im Einzelfall. Ob jemand Schwierigkeiten mit einer Ausgangssperre bekommt, hängt also wesentlich davon ab, wie gut seine Gründe sind, sich nicht an die Ausgangssperre halten zu wollen. Ausnahmen erreicht man durch Argumentation.

Erkrankungen sind dagegen ein faktisches Problem, das mit Argumenten nicht in den Griff zu bekommen ist. Wäre das anders, würden wir Juristen jede Grippe einfach wegdiskutieren, sein Sie sicher.

Auf beide Aspekte muss man sich daher auch unterschiedlich vorbereiten und dazu bietet sich Folgendes an:

1. Erkrankungen
Jeder Stall braucht eine ordentliche Dokumentation, aus der alle wichtigen Informationen hervorgehen, die zur Versorgung der Pferde notwendig sind. Wo und wie komme ich an Futtervorräte, wo sind wichtige Wasserleitungen, wie funktioniert der Schlepper oder sonstige Stallmaschinen, wo sind die zum Betrieb notwendigen Hilfsmittel, wo liegen Schlüssel für zentrale Schlösser, wo sind Medizinschränke und Pflegeanleitungen für Pferde, wer ist Ansprechpartner für was und wie sind die Kontaktdaten seiner Vertretung? Die Fülle an wichtigen Informationen ist bei genauem Hinsehen riesig und je mehr man ordentlich sortiert beieinander hat, um so besser ist man für den Notfall gewappnet.
Wichtig: Denken Sie beim Aufschreiben daran, dass diese Dokumentation für jemanden ist, der NICHTS von alledem kennt und der sich insbesondere auch örtlich in Ihrem Stall NICHT auskennt. Führen Sie ordentliche und vollständige und aktuelle Listen aller Einsteller, aller Lieferanten und aller zuständigen Behörden inklusive sämtlicher wichtiger Kontaktdaten.
Pferdebesitzer sollten eine solche Dokumentation für jedes ihrer Tiere zusätzlich erstellen. Benennen Sie darin auch Personen, die sofort benachrichtigt werden sollten, wenn es in Ihrer Abwesenheit etwas zu regeln gibt.
Ein Tipp: Das Notfallheft der Dressur-Studien gibt viele wichtige Hinweise und Anleitungen zu diesem Thema.

Organisieren und besprechen Sie innerhalb des Stalles Vertretungsregeln, die nicht nur den Stallbetrieb insgesamt, sondern auch die Betreuung jedes einzelnen Pferdes umfassen. Sie sollten dabei zwei Pläne haben: Einen für kleine Notfälle, nach denen der Betrieb des Stalles mit kleinen Anpassungen weitgehend unverändert (aber durch andere Personen) durchgeführt wird. Und einen für große Notfälle (wie eine Pandemie!), mit der der absolute Notbetrieb, also die reine Lebenserhaltung aller Tiere auf dem Hof, sichergestellt wird. Denken Sie daran, dass auch zu einem Reiterhof häufig mehr Tiere gehören als nur Pferde.

Für diesen Notfallplan müssen Sie aktuell unbedingt radikal denken. Denn wenn sich die Lage noch für längere Zeit vorhersehbar verschlechtert, funktionieren die bislang geübten Szenarien nicht mehr. Hierzulande haben wir nur wirkliche Erfahrungen mit Situationen, in denen eine Kastatrophenlage örtlich begrenzt ist — Hilfe also jederzeit von außerhalb des Katastrophengebietes geholt und gebracht werden kann. Das funktioniert in Zeiten einer staatenweiten Pandemie nicht mehr. Wenn die Menschen in der Umgebung des Stalles krank sind, sind es auch die weiter entfernt wohnenden Menschen sowie Tierärzte, Lieferanten und Behörden. Luxus und Bequemlichkeit haben deshalb in einem echten Notfallplan nichts zu suchen. Er dient ausschließlich der Verhinderung von Todesfällen und dafür ist jede Art von Unbequemlichkeit in Kauf zu nehmen.

Schreiben Sie Ihren Notfallplan auf. Besprechen Sie ihn mit allen, die es angeht. Überlegen Sie gemeinsam gut, wer auch bei Fortschreiten der Situation in der Lage sein wird, welche Aufgaben zu übernehmen. Es macht keinen Sinn, jetzt eine Krankenschwester als Vertreterin der Stallbetreiberin einzuplanen, egal, wie gut sie mit Pferden kann. Es mag sein, dass der Einsteller, der auch Ehrenamtler beim technischen Hilfswerk ist, besonders gut mit dem Trecker umgehen kann. Trotzdem brauchen Sie da jetzt noch jemand anders, denn das technische Hilfswerk wird ab irgendeinem Punkt seine Leute selbst brauchen.

2. Ausgangssperren
Ausgangssperren sind — siehe oben — eine polizeiliche Maßnahme und der kann man mit Argumenten und etwas Vorbereitung begegnen. Wie ich gestern schon erklärt habe, sehen Ausgangssperren immer auch bestimmte Ausnahmen vor. Ein paar kommen direkt mit der Anordnung (siehe das erste praktische Beispiel in Deutschland), ein paar andere können sich aus der generellen Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen ergeben. Die erstgenannten Ausnahmen können Sie also einfach so für sich in Anspruch nehmen (wenn Sie ihre Lebensmittel kaufen, zur Arbeit fahren oder als Selbetversorger Ihr Pferd versorgen wollen), die zweite Art von Ausnahme müssen Sie beantragen, und zwar bei der der Behörde, die die Ausgangssperre verhängt hat (die Stadt oder der Kreis in dem Sie wohnen und/oder in dem Ihr Pferd steht).

Die Versorgung von Tieren ist Ihnen auch unter der dem Regime einer Ausgangssperre erlaubt, wenn die Versorgung wirklich durch Sie selbst erfolgen muss. Das ergibt sich meistens unmittelbar aus der angeordneten Ausgangssperre selbst, entweder unter dem Aspekt „Weg zur Arbeit“ (wenn Sie Stallbetreiber sind) oder der Versorgung von Haustieren. Das Nutztiere versorgt werden dürfen, ist so selbstverständlich, dass darüber schon keiner mehr redet — und es wird auch keine Behörde diese Diskussion mit Ihnen führen. Verzichten Sie wo immer möglich auf unnötige Wege und unnötige Arbeiten.

Immer gilt: Der Begriff Versorgung umfasst auch hier zum einen nur die wirklich notwendigen Arbeiten (Zeitmoment) und zum anderen nur die zwingend hierfür notwendigen Wege, also den direkten Weg von der Wohnstätte zum Stall und zurück. Soweit Futtermittel besorgt werden müssen, ist auch dies unproblematisch von den Ausnahmen umfasst.
Um bei Kontrollen nicht in Schwierigkeiten zu geraten, sollten Sie die Eckpunkte Ihres Ausnahmefalles nachweisen können. Führen Sie einen Nachweis darüber mit, wo sich Ihr Pferd befindet, also beispielsweise eine Kopie des Einstellvertrages oder eine Meldung der Pferdehaltung bei der Veterinärbehörde. Wenn Sie Futtermittel besorgen, sollten Sie Kaufquittungen aufbewahren, auf denen Datum und Uhrzeit vermerkt ist.

Einsteller in größeren Anlagen könnte möglicherweise von Seiten der Behörden entgegengehalten werden, dass die Pferde ja durch die Stallbetreiber versorgt werden und deshalb eine Anreise des Pferdebesitzer nicht zwingend notwendig ist. Dem könnten Sie mit zwei Strategien begegnen:
Zum einen sollten Sie (siehe unter 1.) einen schriftlichen Plan ausarbeiten, welche Einsteller sich wann auf der Anlage an der Versorgung der Pferde zu beteiligen haben. Der Plan muss Daten, Uhrzeiten, Namen und Tätigkeiten umfassen und so verbindlich sein, dass eine Behörde ihn im Zweifel vor Ort überprüfen könnte. Die vollständigen Kontaktdaten der Einsteller (mit Telefonnummern!) werden schon aus seuchenrechtlichen Gründen zwingend notwendig sein, diskutieren Sie da nicht rum. Achten Sie darauf, dass der Plan immer möglichst wenig Leute für maximal viel zu versorgende Pferde vorsieht (Notfall-Prinzip!) und sich möglichst wenig Leute im Stall begegnen. Halten Sie sich an diesen Plan und dokumentieren Sie die Abarbeitung durch ein Protokoll. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat ein durchaus brauchbares Muster auf ihrer Website veröffentlicht.

Weisen Sie auf diesem Wege nach, warum ausgerechnet Sie an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit in den Stall müssen. Ich sage voraus: da wird es dann wenig Probleme geben.

Wer die Ausnahmesituation noch spezifischer mit den Behörden regeln will, kann versuchen, sich eine explizite Ausnahmegenehmigung erteilen zu lassen. Zuständig ist die Behörde, die die Ausgangssperre ausgesprochen hat, also regelmäßig das Ordnungsamt der Stadt oder des Kreises, in dem Sie wohnen und/oder in dem Ihr Pferd untergestellt ist. Den Antrag können Sie formlos stellen, zur Glaubhaftmachung benötigen Sie nach meiner Einschätzung die oben schon genannten Pläne und Dokumentationen. Aber ich sage voraus: Eine spezielle Ausnahmegenehmigung wird es in den seltensten Fällen brauchen.

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